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Ich saß beim späten Le Mans Debüt des Jaguar XJ 13 im Cockpit

Auf dem Weg zu Le Mans Classic erhielt ich Nachricht, dass Jaguar den XJ13 auf seine erste Runde schicken würde – 50 Jahre nach dem eigentlich geplanten Debüt in der Sarthe. Noch ahnte ich nicht, mich 48 Stunden später selbst im Cockpit wiederzufinden...

Der Jaguar XJ13 von 1966 gehört zu den geheimnisvollsten Modellen der Jaguar Geschichte. Ausgestattet mit einem V12-Mittelmotor sollte er eigentlich die Nachfolge der glorreichen C- und D-types in Le Mans antreten. Doch blieb er aufgrund von Reglementänderungen und einer halbherzigen Weiterentwicklung eine Totgeburt. Und ein Einzelstück, das nie ein Rennen bestritt.

Kaum überraschend, dass der Komfort für einen Beifahrer nicht auf der Prioritätenliste stand. Zumal das Cockpit ganz auf die Jockey-Statur des Jaguar-Testfahrers Norman Dewis (heute 96) zugeschnitten war. Es war klar, dass es für meine 1,83 Meter eine enge Kiste werden würde. Zu allem Überfluss wurde mir auch noch bedeutet, dass zu beiden Seiten und entlang der Beine heiße Leitungen verliefen. Doch WIE heiß sie wirklich würden, könnten wir erst während der Fahrt feststellen.

Nun, ehe wir nach der ersten Schikane beschleunigen durften, stand jedoch zunächst ein sorgfältig choreographiertes Gruppenfoto an – unser XJ 13 zusammen mit 99 weiteren Jaguars. Als wir endlich freie Fahrt hatten, fand ich mich damit ab, notfalls meine Beinkleider für das einmalige Erlebnis zu opfern. Zumal bei der Jungfernfahrt des XJ13 um den Circuit de la Sarthe Michael Quinn am Steuer saß – der Enkel von Jaguar Firmengründer Sir Williams Lyons. Geschichten, die man irgendwann mal seinen eigenen Enkeln erzählen wird...

Vom Le Mans-Sieger XJR-9 eskortiert

Nachdem wir zunächst geduldig für eine gefühlte Ewigkeit in der Wartezone standen, kam das Startsignal ohne große Vorwarnung. In wenigen Sekunden hieß es „einsteigen“ und in jene Position begeben, die wir für die nächsten mindestens zehn Minuten einnehmen würden. Quinn warf den 5,0 Liter an, und sofort verwandelte sich das Cockpit von einem glühend heißen, gleichwohl sehr aufgeräumt wirkenden Treibhaus in ein V12-Amphitheater. Quinn legte den ersten Gang ein und beschleunigte auf die Geschwindigkeit, die für das Fotoshooting ausgegeben war. Bis zur ersten Schikane wurden wir vom Silk Cut XJR-9, dem Sieger des Rennens von 1988, eskortiert. Doch drang vom Sound des 7.0 Liter großen V12 im Heck des Gruppe C kaum etwas bis in unser Auto vor. Dann durften wir die Raubkatze von der Leine lassen, jedoch nur bis zu einer Maximaldrehzahl von 4.000 Umdrehungen pro Minute. In seinem ersten Leben hätte der XJ13-Motor noch weitere 6.000 Umdrehungen seiner Kurbelwelle draufpacken können. Doch da es sich hier um den 50 Jahre alten Original-Motor handelte, sollte das Risiko verständlicherweise minimiert werden.

Ein Erlebnis, das Demut lehrt

Zu beobachten, wie Quinn die berühmten Kurven des Le Mans-Kurses anging, war ein Demut lehrendes Erlebnis. Als wir die 160 km/h-Marke auf der Mulsanne-Geraden erreichten – der kühle Wind massierte eine exponierte Stirn, während der Kessel meinen übrigen Körper langsam aufheizte - dachte ich mir, was hätte möglich sein können. Dieses Auto war von den selben Männern entwickelt worden, die auch für den dreifachen Le Mans-Sieger D-type verantwortlich waren. Er hielt viele Jahre lang den inoffiziellen Rundenrekord in Silverstone, aufgestellt von David Hobbs. Erst 1999 war kein Geringerer als der Supersportwagen McLaren F1 mit BMW V12-Motor dann schneller. Zum anderen stellte ich mir vor, was mir entgangen wäre, hätte sich Jaguar nach dem berühmten Unfall von Norman Dewis 1971 nicht nicht dazu entschlossen, das Auto in zweijähriger Arbeit nicht wieder originalgetreu restaurieren zu lassen. 

Die Kampfnarbe

Bis zum Ende der Runde wurden wir von vielen moderneren Wagen überholt, was zwangsläufig zu einer langen Schlange am Ausgang von der Strecke ins Infield führte. Genau das, was sich der Pilot eines Rennwagens, der mangelnde Kühlung überhaupt nicht verträgt, am wenigsten wünscht. Nun wurde Quinns Fahrkönnen nochmal wirklich gefordert, doch er arbeitete sich traumwandlerisch durch den Verkehr und vorbei an überraschten Zaungästen. Trotzdem waren die Temperaturen irgendwann im roten Bereich. Er musste den Motor abstellen – und kam zufällig am einzigen Eingang zur Streckenambulanz zum Stehen. Es schien wie ein Geschenk des Himmels für jemanden, der sich eine Verbrennung am Bein zugezogen hatte. Doch als wir ausstiegen und den Wagen langsam abkühlen ließen, stieg in mir die Hoffnung auf, mit einem harmlosen Andenken davongekommen zu sein. Und in der Tat: Was könnte passender sein, als dieses Erlebnis fürs Leben mit einer kleinen Kampfnarbe in Erinnerung zu behalten?

Fotos: Peter Aylward for Classic Driver © 2016 / Jaguar

Classic Drivers Berichterstattung von Le Mans Classic 2016 wurde freundlicherweise unterstützt von Richard Mille. Hier finden sie einen Überblick über alle zu diesem Event erschienenen Beiträge.