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Der letzte in Le Mans gestartete Panhard ist ein aerodynamisches Meisterwerk

Mit seiner Stromlinienform und den beiden vertikalen Schwanzflossen gehört der Panhard CD zu den ikonischsten jemals in Le Mans gestarteten Prototypen. Nun wird der 1964 beim 24-Stunden-Rennen von Alain Bertaut und André Guilhaudin gesteuerte Wagen am 6. Juni versteigert.

Es fällt leicht, der Idee des „Schicksals“ skeptisch gegenüberzustehen. Aber niemand kann die glückliche Verbindung zwischen den Initialen von Charles Deutsch und der Tatsache leugnen, dass er für seine aerodynamischen Fahrzeugdesigns Berühmtheit erlangte. Und dieser Panhard Le Mans-Prototyp, der am 6. Juni 2023 im Hotel Drouot in einer one-lot-Auktion von Giquello versteigert wird, markiert den Höhepunkt der Arbeit von CD, schuf er doch mit diesem Le-Mans-Modell den niedrigsten Luftwiderstandsbeiwert (Cw-Wert) aller jemals gebauten Fahrzeuge. 

Zum Vergleich: Der JCB „Dieselmax", der 2006 auf dem Salzsee von Bonneville mit 529,099 km/h einen neuen Weltrekord für Dieselfahrzeuge aufstellte, hatte einen Cw-Wert von 0,15; doch der 42 Jahre zuvor geformte Panhard CD Le Mans lediglich einen von 0,12. Der radikale historische Le-Mans-Rennwagen basierte auf dem Panhard-CD-Serienmodell, den Deutsch als sein erstes Projekt nach der Scheidung von René Bonnet entwarf. Zuvor hatten beide während einer 25-jährigen Partnerschaft die Marke Deutsch-Bonnet (DB) als Konstrukteur von leichten, aerodynamischen Sportwagen berühmt gemacht.

Die beiden trennten sich, nachdem sie sich darüber zerstritten hatten, ob ihre zukünftigen Autos Frontantrieb (Deutschs Ansicht) oder einen Mittelmotor (Bonnets Ansicht) haben sollten. Worauf Deutsch zu Panhard wechselte, die schon zuvor Komponenten an Deutsch-Bonnet geliefert hatten. Vor der Entwicklung des hier abgebildeten CD-Prototyps LM64 hatte Deutsch den CD Dyna entwickelt, mit dem Panhard 1962 in Le Mans antrat. Fünf Exemplare entstanden binnen vier Monaten, wobei die Karosserie von Deutsch und seinem Aerodynamik-Kollegen Lucien Romani entworfen wurde.

Luftgekühlte Zweitakt-Boxermotoren mit 702 cm3 Hubraum sorgten für den Antrieb. Für Le Mans wurden unter der Bewerbung Panhard & Levassor drei Einsatz- und ein Reservefahrzeug gemeldet. Im Rennen fiel einer durch Unfall, ein zweiter mit Motorschaden aus. Der dritte Wagen, das von Bertaut/Guilhaudin gesteuerte Coupé mit Startnummer 53, das mit 60 PS eine Spitze von 185 km/h erreichte, belegte dagegen Platz 16 im Gesamtklassement. Zugleich gewann er – vor einem René-Bonnet Djet mit Renault-Motor – den Performance-Index, und kam hinter zwei Lotus auf Platz drei in der Kategorie „Effizienz“ (Indice au rendement énergétique). Der Panhard CD beendete das Rennen mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 11,4 Litern/100 km, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 142,793 km/h. 

Dieser Erfolg ging der Premiere des straßenzugelassenen Panhard CD im selben Jahr auf dem Pariser Salon voraus. Von 1963 bis zur Einstellung der Produktion zwei Jahre später wurden insgesamt 179 Exemplare des mit einer Glasfaserkarosserie ausgestatteten Modells gebaut und verkauft. 1963 trat ein von einem 70 PS starken Dreizylinder-Zweitaktmotor mit DKW-Wurzeln angetriebenes Coupé mit Deutsch-Karosserie in Le Mans an – mit den vier Auto-Union-Ringen auf der Fronthaube! Aber der Besitzer und Startfahrer André Guilhaudin verlor schon in der zweiten Runde in der Indianapolis-Kurve die Kontrolle über den Wagen, was irreparable Schäden verursachte.

In den folgenden Monaten machten sich Deutsch und das Panhard-Team an die Arbeit, um nach einem Jahr Abstinenz für das Rennen von 1964 den LM64 zu entwickeln. Nur zwei Exemplare wurden gebaut – LM 64-01 und mit LM 64-02 das Auto, das nun von Giquello versteigert wird. Waren die Dyna schon extrem windschlüpfrig, verhöhnten die LM64 den Wind mit ihrer spektakulär glatten Karosserie. Ein Design, das einer Kreuzung aus Buck Rogers Raumschiff und einem Delphin glich.

Die im Windkanal des Aerodynamiklabors Gustave Eiffel in Auteuil bei Paris entwickelten Autos hatten vorn und hinten halb abgedeckte Räder, um Verwirbelungen zu glätten, Seitenwände, so glatt wie ein Stück Seife und einen vollständig geschlossenen Unterboden, der zusammen mit einem diffusorartigen Heck dazu beitrug, schon so etwas wie „downforce“, sprich Bodenhaftung, zu erzeugen.

Das auffälligste Merkmal der Autos waren jedoch zweifellos die beiden vertikalen Heckflossen, die dem CD zusätzlich halfen, sich maximal widerstandsarm durch den Wind zu schneiden. Aber ohne einen LM64 in natura gesehen zu haben, ist es schwierig zu schätzen, wie klein sie waren – eine Tatsache, die einen entsprechend zierlichen Motor von nur 848 cm³ erforderte. Damit hätte das Team jedoch 1964 in Le Mans nicht antreten dürfen.

Denn um den neu eingeführten Mindesthubraum von 1000 cm3 erfüllen zu können, musste der Panhard Motor mit einem Sferma-Kompressor aufgeladen werden. Mit dem Faktor 1,4 für Motoren mit Zwangsaufladung multipliziert, traten die beiden LM 64 mit nun „offiziell“ 1187 cm3 Hubraum in der Klasse bis 1,2 Liter an. 

Mit ihren unscheinbaren 78 PS hätten die Panhards eigentlich Schildkröten in einem Feld von Hasen sein müssen. Aber ihre bemerkenswerten aerodynamischen Qualitäten beschleunigten sie auf der Hunaudières-Geraden auf bis zu 230 km/h, genauso schnell wie Konkurrenten mit doppelt so starken Motoren. Beide Wagen wurden unter der Bewerbung S.E.C.A. CD (dem neuen F&E-Labor von Deutsch) gemeldet, aber LM64-01 mit Pierre Lelong/Guy Verrier schied nach respektablen 13 Stunden und 124 Runden mit Getriebeproblemen aus, während LM64-02 mit Bertaut und Guilhaudin 77 Runden und zehn Stunden schaffte, ehe der Motor den Dienst quittierte. 

Für Deutsch war es ein mutiger, aber letzter Versuch in Le Mans, denn 1967 wurden die letzten Panhard-Personenwagen gebaut, bevor die Marke von Citroën übernommen wurde. LM64-2 wurde die folgenden zwei Jahrzehnte eingelagert, ehe der Wagen 1981 im Museum von Le Mans ausgestellt wurde – als Zeichen sowohl für seine historische Bedeutung für das Rennen als auch für die außergewöhnliche Fähigkeit von Panhard, hocheffiziente Autos mit kleinen Motoren zu entwickeln.

Diese Anerkennung ist heute, im Jahr des hundertjährigen Jubiläums von Le Mans, sogar noch augenfälliger. Das ist auch der Grund, warum der Panhard CD Prototyp LM64-02 mit einem Schätzwert zwischen 600.000 und 1,2 Millionen Euro taxiert wird, wenn er am Dienstag, dem 6. Juni, versteigert wird. Wer ihn kauft, erhält nicht nur ein bemerkenswertes Stück Le-Mans-Geschichte, sondern auch eine Einladung zu einigen der prestigeträchtigsten historischen Motorsportveranstaltungen der Welt. Und das schließt auch Straßenrallyes ein, denn der Wagen ist, ob Sie es glauben oder nicht, komplett für die Straße zugelassen. 

Der Panhard CD-Prototyp wird am 6. Juni im Hôtel Drouot in Paris bei Guquello zum Verkauf angeboten. Mehr über dieses spektakuläre Los erfahren Sie im Classic Driver Markt.