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Wir sagen Ciao zum Ferrari-Prototyp, dem wir den Daytona verdanken

Mit ihm setzte eine Zeitenwende in Maranello ein: Dieser Ferrari 365 GTB/4 Daytona Prototyp von 1967 dürfte zu den allerwichtigsten Modellen der Markengeschichte gehören. Nach gut 20 Jahren bei einem Eigner, sucht er über RM Sotheby´s verdeckten Geboten vom 22. – 26. Mai eine neue Garage.

Heute kaum mehr vorstellbar, aber gegen Ende der sechziger Jahre befand sich Ferrari in einer Zwickmühle. Nicht wegen der aktuellen Modellpalette, denn zu diesem glanzvollen Stall gehörte auch der 330 GTC - es war die Tatsache, dass der grandiose 275 GTB/4 eines Nachfolgers bedurfte, der nichts weniger als spektakulär sein musste. Es kam nämlich noch die weitere Herausforderung in Form des eben von Lamborghini vorgestellten P400 Miura hinzu, eines Sportwagen, der den Begriff Supercar neu definierte. Ferrari war nun gefordert, den hingeworfenen Fehdehandschuh aufzugreifen. 

Man blieb beim Konzept der Frontmotor-V12-Plattform aus dem 275, statt eine Konstruktion ähnlich wie bei den engsten Rivalen zu wählen. Das neue Modell sollte auf den großen Erfolg des Vorgängers zurückgreifen, dabei aber Ferrari auf ein neues Level beschleunigen. 

Von Pininfarina entworfen, scheint das Auto, das Sie hier sehen, designmäßig zwischen einem 275 GTB/4 und einem 365 GTB/4 Daytona zu tänzeln, wobei beide individuell bereits atemberaubend schön sind. Die optischen Hinweise der jeweiligen Modelle lassen sich aber entdecken und bewundern. Doch bei diesem Auto handelt es sich um mehr als eine Designstudie, die in Ferraris Zukunft weisen sollte. 

Insgesamt sollten sechs 365 GTB/4-Prototypen gefertigt werden – doch dieses Exemplar als erstes der Reihe bleibt quasi das beste springende Pferd im Stall. Sein Herzstück ist ein völlig einzigartiges „Colombo“-Motordesign mit 3 Ventilen pro Zylinder, ein Motor, der zu dieser Zeit in keinem anderen Ferrari-Straßenauto zu sehen war. Der Block selbst basiert auf jenem des 330 GT, wurde aber auf 4.380 Kubik aufgebohrt, um sicherzustellen, dass die Leistungsdaten mit der weiteren Ferrari-Entwicklung Schritt halten konnten. Unfassbar, tatsächlich ist dieser Motor sogar nah dran an jenem im ikonischen 330 P4-Rennwagen. Ein Beweis dafür, wie weit Maranello gehen würde, um mit ihrem neu entwickelten Supercar den Markt zu erobern. 

Betrachtet man die Formgebung, dann lässt sich nicht übersehen, wie sehr dieser Prototyp aus manchen Winkeln dem 275 GTB/4 ähnelt, allerdings mit einer etwas gestreckteren und flacheren Frontpartie. Bewegt man sich entlang der Seite in Richtung des Hecks, dann gewinnt das Daytona-Styling, das wir alle kennen und verehren, Kontur, inklusive des sich über die ganze Breite ziehenden Chromstoßfängers. 

Nach der Fertigstellung Anfang 1967 wurde das Modell intensiv im weiteren Jahresverlauf vom Werk im Autodrom von Modena getestet. Danach hatte dieses Exemplar verschiedene Besitzer, die es ausgiebig auskosteten, ehe es 2003 in einem angeblich desolaten Zustand in die Niederlande geschickt wurde. Nachdem er 2003 ein Ferrari Club-Treffen besuchte, bei dem das Auto kaum lief und alles andere als attraktiv aussah, erinnert sich der Besitzer, dass ihn ältere Clubmitglieder fragten: „Haben Sie eine Ahnung, worum es sich bei diesem Auto handelt?“ Seine Antwort: „Nun, etwas, an dem noch sehr viel gemacht werden muss!“

Der Ferrari erhielt daraufhin eine makellose Restaurierung und sieht heute vermutlich besser aus als zu seiner Entstehungszeit. An diesem Stück Ferrari-Geschichte – seltener als selten –  kommt kein Enthusiast der Marke vorbei. Nun wartet es auf die verschlossenen Gebote, die bei RM Sotheby´s vom 22. Bis 26. Mai eingereicht werden.