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Treffen Sie die Masterminds hinter Oil Stain Labs abgesägtem Porsche Half11


Die Porsche Prototypen von Oil Stain Lab sorgen regelmäßig im Internet für Aufsehen. Für Classic Driver haben die talentierten Zwillinge Nikita und Iliya Bridan ihre Werkstatt geöffnet und teilten einige der Geheimnisse hinter dem berüchtigten Half11.

„Sie sagten, er sei zu verrückt, um zu existieren. Sie hatten zur Hälfte Recht.“ Das ist der Slogan hinter Oilstainlabs berühmtester Kreation, den Half11. Das von den Zwillingen Iliya und Nikita Bridan gegründete Unternehmen begann als Designberatungsbüro und entwickelte sich schnell zu einer Klassiker-Boutique, die von Tribute Cars bis hin zu vierrädrigen Monstern alles aufbaut, was die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmen lässt. Nachdem wir das Half11-Projekt jahrelang verfolgt haben, von seinen Anfängen auf gefälschten Fotos – eines zeigt das Auto beim Start zu den 24 Stunden von Le Mans 1969 – bis hin auf die Straßen von L.A. in all seiner Pracht, hat Classic Driver Remi Dargegen zu jenen genialen Zwillingen geschickt, die für den ganzen Hype verantwortlich sind. Sie wurden in der Ukraine geboren, landeten aber nach der Emigration der Eltern in Kanada. 

Viele unserer Leser werden Oilstainlab und den Half11 kennen, doch da Ihr selten an die Öffentlichkeit tretet, hegen wir Zweifel, ob irgendjemand Euch als die Brüder hinter der Internet-Sensation erkennt. Allerdings seid Ihr mehr als das, nämlich Zwillinge! Würdet Ihr sagen, das bedeutet doppelten Stress? 

Wir haben unsere Gesichter nicht gezeigt, da wir fest davon überzeugt sind, dass es bei der Marke Oilstainlab um Automobilkultur, Gemeinschaft und Träume geht, und nicht um Einzelpersonen. Das Unternehmen heißt nicht Bridan Motors, weil es nicht um uns geht. Wir haben die einzigartige Situation, dass wir zwei Menschen sind, die sich ähnlichsehen und viele Leidenschaften teilen. Als Zwillinge haben wir sicher einen gewissen Vorteil, wir sagen, wir sind jeweils die „Befähiger“ (enabler) des anderen. Dieses Wort bedeutet uns sehr viel, es ist ein Kernstück unserer Marken-DNA. Es ist immer gut, jemanden im Raum zu haben, der zustimmt oder einen unterstützt, wenn man vermeintlich unmöglichen Träumen hinterherjagt.

Was sind Eure frühesten Kindheits-Erinnerungen an Autos, Motorsport und Klassiker? 

Schon in jungen Jahren haben wir viel gezeichnet – Autos, Raumschiffe, Dinosaurier – wie wohl viele Kinder. Im ländlichen Kanada, wo wir aufwuchsen, gab es keine Autokultur, keine ausgefallenen Wagen, nichts, was man anstreben konnte. Auf unseren Reisen nach Europa sahen wir dann die Autos, die unsere Welt verändern sollten. In Spanien fuhren wir durch eine Stadt und sahen einen Lamborghini-Händler. Wir riefen unseren Eltern zu, sie sollten anhalten, und wir erinnern uns, dass wir dachten: „Was ist das?“ Also hielten sie an, und der Händler ließ uns hinein, damit wir uns die Autos ansehen konnten, unglaublich! Der zweite große Moment war in der Londoner McLaren-F1-Vertretung. Ich glaube, dieses Auto hat mehr Menschen dazu inspiriert, in die Auto- und Motorsportbranche einzusteigen als alles andere!

Worin liegt der Ursprung Eurer Passion und wie habt Ihr sie gefördert? 

Es begann mit der künstlerischen und gestalterischen Seite. Wir hatten kein mechanisches Verständnis oder Respekt für diesen Teil des Autos, und wir waren auch nicht von Leistung fasziniert. Uns ging es nur um den unverfälschten Stil, und das führte uns zum Autodesign. Also brachen wir mit 14 Jahren die High School ab und zogen nach Italien, um unseren Traum vom italienischen Karosseriebau zu verwirklichen - was für ein Traum! Mit 17 zogen wir nach Kalifornien und beendeten unser Studium, während wir uns die ganze Zeit über für Classic Cars begeisterten. Wir wussten nicht, was Zuverlässigkeit und Teilemangel bedeuteten, bis dahin ging es nur um Stil. Mit 25 kauften wir unseren ersten Oldtimer und begannen zu lernen, wie man schraubt, und wurden süchtig nach mechanischer Kunst und Schönheit, was heute ein großes Merkmal unserer Arbeit ist. Unsere Leidenschaft ist nun eine universelle Liebe zur Technik, zur Problemlösung und zur Kunst.

Habt Ihr als Zwillinge in dieser Leidenschaft immer parallele Wege beschritten und glaubt Ihr, das hat Euch geholfen, dieses Projekt zu konzipieren und zu managen? Seid ihr in der Regel einer Meinung, oder gibt es auch mal Streit?

Für Außenstehende stehen wir uns so nahe, wie es zwei Menschen nur sein können. Dabei haben wir sehr unterschiedliche Erfahrungen auf demselben Weg gemacht. 

Natürlich sind wir uns einig, was das große Ganze und die Motivation angeht. Es gibt jedoch auch ein gesundes Maß an Reibung: Wir sind beide sehr leidenschaftlich und kritisieren und hinterfragen alles, auch unsere eigene Arbeit. Wir fordern uns gegenseitig in vielen Dingen heraus und drängen darauf, die coolsten Projekte möglich zu machen.

Was war Euer Hintergrund, um dieses Projekt zu starten, wie habt Ihr es geschafft, etwas so Verrücktes wie den Half11 zu kreieren? 

Wie gesagt, wir haben im Autodesign begonnen, aber das bereitet einen nicht auf so etwas vor! Großer Fehler (beide lachen). Als wir loslegten, hatten wir keine handwerklichen Fähigkeiten – keine Metallbearbeitung, kein Schweißen, keine maschinelle Bearbeitung, kein Engineering, keine Kenntnisse über Motoren; wir waren absolut ahnungslos. Aber das Glück ist mit den Mutigen und den Naiven! Wir wollten lediglich eine furchterregende und akkurate Hommage an unsere Lieblings-Rennsportära bauen. Wir wollten etwas zurückgeben, diese Ära teilen, anstatt einfach nur Ideen zu stehlen, wie es alle anderen tun. Egal was passiert, wir würden unseren Traum verwirklichen!

Wer hatte den Einfall zum Half11? Einer von Euch, oder hattet Ihr beide die Idee? 

Wir hatten zu diesem Zeitpunkt ein par 911er gebaut: einen 1972er Tribute, einen 1967er im S/T-Look und einen RSR Tribute Modelljahr 1973.5. Nun wollten wir etwas ganz Spezielles und Extremes machen und dafür war der 911 die ultimative Leinwand. Also begannen wir gemeinsam mit dem Brainstorming. Nach etwa einem Jahr mit Konzepten fertigte Iliya diese verrückte Skizze an: Sie zeigt eine an ein Porsche Indycar montierte 911er-Frontpartie. Wir wussten, das war es! Es war an der Zeit, ihn zu bauen!

Wie würdet Ihr den Half11 beschreiben? 

Eine fantastische Geschichte über Abenteuer, Freundschaft, Entdeckungen und Humor, alles verpackt in einer Aluminium-Donnermaschine. 

Das Half11-Projekt ist auch eine Visitenkarte für eine Designberatung. Im Kern geht es um eine Geschichte, und das Auto ist einfach die Hauptfigur. In vielerlei Hinsicht spielt das Design keine Rolle, da es unbestreitbar in ein Universum eingebunden ist, das wir geschaffen und mit der Welt geteilt haben. Dieser Ansatz stellte die Art und Weise in Frage, wie die meisten Designprojekte oder Produkte heute in der Welt dargestellt werden. Unser Ansatz ist stark vom amerikanischen Designer J Mays inspiriert. In vielerlei Hinsicht hatten wir Themen, die wir ansprechen und mit der wir die Welt herausfordern wollten, aber das ist unser Geheimnis…

Ganz am Anfang habt Ihr damit begonnen, historische Bilder mit Porsche-Rennwagen zu retuschieren, um den Half11 mit einzubeziehen, was zu einer echten Verwirrung geführt hat. Glaubt Ihr, dass Euer Auto eine Art fehlendes Glied („missing link“) in der Geschichte der Marke ist?

Von Anfang an schufen wir ein Universum, in dem dieses Auto hätte existieren können. So konnten wir das Projekt mit seinem Design und den Proportionen in der damaligen Realität verankern, was unseren Spielraum begrenzte und unser Projekt einschränkte. Wir lieben diese Ära so sehr und wollten ihr schon immer Tribut zollen. Es ist ein Liebesbrief an eine Epoche der wahren Helden, des Wagemuts, des Dramas, des Adrenalins und des Todes. Die Bilder waren also genau das, sie haben uns auch geholfen, das Design zu beurteilen. Passt es in diese Ära? Ist es angemessen? Natürlich war die Verwirrung, die dadurch entstand, für uns ziemlich lustig, denn wir haben das nicht absichtlich gemacht, es war nur ein Nebeneffekt.

Das Auto ist sehr stark mit Porsche verknüpft, aber es hat einen amerikanischen V8, den LS-3 von Chevrolet. Worin liegt der Grund für den Motor und könnt Ihr Euch ein Evo-Modell l mit einem Sechs- oder sogar Achtzylinder-Boxer vorstellen? 

Einfach gesagt, ist dieser V8 für einen Prototypen die einzig mögliche Wahl. Es hatte auch einen Grund, warum die beiden Prototypen des McLaren F1 einen amerikanischen Achtzylinder hatten. Wir sind offen mit der Entwicklung dieses Autos umgegangen, doch es gibt Leute, die Elemente der Konstruktion kritisieren, ohne das große Ganze zu verstehen. Die Zukunft hält viele aufregende Antriebsstränge bereit, von einem Sechszylinder- bis zu einem Achtzylinder-Boxer und allem, was Sie sich vorstellen können!

Seit unserem Fotoshooting gab es eine große Veränderung: Ihr habt dem Auto ein Dach aufgesetzt. Das macht es wohl praxistauglicher, vielleicht realistischer, aber man könnte auch sagen, extremer, da man ein besseres Gefühl für die Proportionen bekommt. Was war der Grund für diese Modifikation?

Das Auto sollte immer ein Coupé werden. Das war die ursprüngliche Vision, wir haben einfach Zeit gebraucht, um dorthin zu kommen. Autos zu bauen, braucht Zeit, und dieses Projekt fand nur an Wochenenden statt. Das Coupé unterstreicht die Proportionen: Mit 95 Zentimeter Höhe ist es unglaublich niedrig und breit, und es ist auch viel angenehmer mit höherer Geschwindigkeit zu fahren. Es verhielt sich auch perfekt auf unserer 5.150 Kilometer langen Überlandfahrt von Los Angeles nach New York im letzten September.

Könnt Ihr uns etwas über die Ziele für dieses Projekt sagen? Gibt es Pläne für eine Kleinserie des Half11 und was steht für die Zukunft von Oilstainlab an? 

Der Half11 war nie als kommerzielles Produkt gedacht. Viele Leute geben einen Preis an oder sagen, dass er zum Verkauf stehe, aber das ist einfach nicht wahr. Dieses Auto war unsere Vision, ein kompromissloser Liebesbrief an eine Ära, die wir verehren. Nachdem wir alles mit der Half11-Entwicklung geteilt haben, war der schwierigste Teil, unser neues Auto geheim zu halten.

Ja, wir werden bald ein neues Fahrzeug vorstellen, das für eine sehr begrenzte Produktion vorgesehen ist. Einige Privatkunden haben es bereits gesehen und ihre Reaktionen waren überwältigend. Es befindet sich seit 2022 in der Entwicklung und spiegelt unsere Vision von einem modernen Performance-Konzept wider, das die Vergangenheit respektiert. Wenn es erst einmal auf den Straßen unterwegs ist, wird es sicher begeistern, aber wie immer arbeiten wir auch an vielen anderen Ideen und Projekten.

Der Half11 ist sehr polarisierend. Was uns überrascht: einige Puristen lieben ihn, während ihn einige Tuner hassen. Was würdet Ihr den Kritikern sagen? 

Wir danken ihnen! Wir sind professionelle Künstler, und man lernt mehr aus Misserfolgen und von, Kritikern und Hassern als aus einer ständigen positiven Feedbackschleife. Wir glauben sogar, dass dieser Hass dazu beigetragen hat, das Projekt besser zu machen. Wir finden auch, dass der Wagen nicht zu sehr polarisiert. Die meisten Leute können respektieren, dass zwei Brüder eine Vision hatten und etwas mit ihren bloßen Händen gebaut haben. In einer zunehmend digitalen Welt gerät die manuelle Herstellung von Dingen in Vergessenheit. Wir hoffen einfach, die jüngere und ältere Generationen zu inspirieren und dazu anzuhalten, diese Ära der Automobilgeschichte nicht zu vergessen. Wir sind sehr offen mit dem gesamten Projekt umgegangen und haben jeden Misserfolg, jede Lektion und jeden Erfolg in den sozialen Medien geteilt. Das ist eine verwundbare Position, wenn man heutzutage alles so kuratiert. Das hat uns offen für Kritik und Spott gemacht, aber wie sollen wir sonst lernen? Misserfolge und Hasskommentare spornen uns nur an, es besser zu machen, aus Fehlern zu lernen und weiterzumachen. Vielen Dank also für all die positiven und negativen Kommentare!

Was denkt Ihr, wie die Menschen in 50 Jahren auf den Half11 zurückblicken werden? 

Wir hoffen, dass sie wissen, wie man ihn fahren muss und sich nicht zu Tode zu erschrecken, wenn er anspringt und laute Geräusche und üble Gerüche von sich gibt! (beide lachen).

Was denken Sie beide über die Classic-Car-Szene und ihre Entwicklung in den letzten Jahren?

Wir sind seit 2012 in der Szene aktiv. Die Community ist jetzt so viel größer, es gibt so viele Veranstaltungen. Das ist toll für das Hobby, und es ist schön zu sehen, wie es wächst. Es gibt einen Grund, warum sich die Menschen zu zeitloser Schönheit und zeitlosen Erfahrungen hingezogen fühlen. Natürlich hat diese wachsende Popularität auch ihre Schattenseiten: Kosten, schlechte Menschen, Clout Chaser, schreckliche Kooperationen, und manchmal wünschen wir uns die einfacheren Zeiten zurück, als die Gemeinschaft noch kleiner und authentischer war.

Unabhängig vom Wert, was sind Eure Traumwagen, bei den Klassikern und den Rennwagen? 

Brabham BT44

STP-Paxton Turbocar

Lamborghini Countach LP400 'Periscopio'

Pininfarina Modulo

Lancia Stratos Zero

Ferrari 212E Montagna

1970-1973 Mazda Porter Cab

Panhard 24

1937 Talbot-Lago T150 CSS Figoni & Falaschi Teardrop Coupé

Alles von „Avions Voisin“

Welches ist Eurer Meinung nach das auffälligste Auto-Design aller Zeiten, und warum? 

Der Dubonnet Hispano-Suiza H6C Xenia von 1938 – dieser Vorkriegswagen muss damals so verrückt ausgesehen haben. Er war so fortschrittlich, wie ein echtes Raumschiff, im Vergleich zum Rest der Autos auf der Straße. 

Und der außergewöhnlichste Designer?

Wenn wir nur einen nennen können, dann Gandini.

Was ist das Rezept für gutes Automobildesign? 

Ehrlichkeit und Einfachheit. 

Wir leben die Prinzipien des deutschen Industriedesigners Dieter Rams: 

„Die Details sind nicht die Details. Sie machen das Design aus. Die Mode vergeht, nur der Stil bleibt gleich." 

„Ein Designer weiß, dass er Perfektion erreicht hat, nicht wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern wenn es nichts mehr wegzunehmen gibt.“

Betrachtet Ihr Euch selbst als „Classic Driver”?

Ja! Wir haben nur alte Autos, nichts Neueres als Baujahr 1975, wir leben das klassische Auto-Leben!

Zum Schluss: Was verbirgt sich hinter Oilstainlab?

Oilstainlab beginnt mit Öl, dem Lebenselixier unserer Autos. Stain steht dafür, dass man, wenn man einmal ein Autofreak ist, immer ein Autofreak bleiben wird, deine Seele, deine Finger, deine Hofeinfahrt und deine Klamotten werden für immer verschmutzt. Das Labor (lab) schließlich ist eine Spielwiese für Experimente, ein Ort zum Spielen und Ausprobieren, zum Scheitern und zum Erfolge feiern, um Fortschritt zu erzielen und dabei unser ganzes Wissen einzusetzen.

Fotos von Remi Dargegen