Direkt zum Inhalt

Magazin

Das Leben könnte ein Traum sein in diesem Plymouth Asimmetrica Roadster von Ghia

Es gibt nur wenige Autos, die Betrachter so sehr in Erstaunen versetzten wie die amerikanischen Showcars der 1950er- und 1960er-Jahre. Für den legendären Designer Virgil Exner Sr. gehörten sie vielleicht zum Alltag, aber der Plymouth Asimmetrica Roadster war vielleicht sein größter Entwurf.

Das Amerika der Nachkriegszeit war ein Land mit einer Mission. Eine Mission zum Mond, eine Mission, so ziemlich alles zu erfinden, was das Leben der pastellfarben gekleideten Landsleute bereichern würde, und eine Mission, einige der besten Automobile zu entwickeln, die die Welt je gesehen hat. Und in der Tat brachten die vom Jet- und Space-Age-Zeitalter inspirierten Stars der weltweiten Designergilde in den späten Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren einige der ausgefallensten Entwürfe hervor. 

Zu ihnen gehörte Virgil Exner Sr. (1909-1973), bekannt geworden durch den „Hundred Million Dollar Look“ (1955–1956), den „Forward Look“ (für Chrysler-Modelle der Modelljahre 1957-1961) und seine Vorliebe für Heckflossen. Ihm haben wir auch diesen herrlich verrückten Plymouth Asimmetrica Roadster zu verdanken. Exner wurde in Ann Arbor (Michigan) geboren und studierte von 1926 bis 1928 Kunst an der Notre Dame-Universität in Indiana, brach das Studium aber mangels Finanzen vorzeitig ab. Dennoch blieb eine Verbindung zu diesem Bundesstaat, denn in seinem ersten Job als Werbedesigner gestaltete Exner Anzeigen für die in South Bend (Indiana) hergestellten Lkw von Studebaker. Seine künstlerische Kompetenz blieb nicht unbemerkt, und 1934 wurde er von GM-Designchef Harley Earl persönlich ausgewählt, um seinem Designteam bei GM beizutreten. Das nenne ich einen guten Start!

Doch schon 1938 verließ Exner GM und arbeitete im Designstudio von Raymond Loewy. Nach einem Streit um Design-Urheberschaften erhielt kam es zum Zwist, worauf Exner eine Anstellung, bei der ihm ja schon bekannten Marke Studebaker in South Bend, antrat. Dort blieb er bis 1949, um dann in die Advanced Styling Group von Chrysler zu wechseln. Zu einer Zeit, in der die bis dahin eine konservative Designsprache pflegende Marke mehr denn je eine neue Vision brauchte. Exner zerriss das bis dahin gültige Designhandbuch von Chrysler in Fetzen und entwarf in schneller Folge Konzepte, die den Namen Chrysler wieder in das Bewusstsein und auf den Einkaufszettel der Autokäufer brachte. Besonders bekannt wurde Exner durch den „Forward Look“ für den Chrysler 300C – der bei seinem Erscheinen mehrere Rekorde brach und das leistungsstärkste Serienauto Amerikas war. Doch sind es die skurrilen Kreationen Exners, die heute unsere Aufmerksamkeit erregen. Und nur wenige tun dies so stark wie dieser Plymouth.

Der XNR, der mit seiner Bezeichnung den Schöpfer (E)XN(e)R zitierte, ist ein Showcar, das so viel mehr symbolisiert als sein bewusst asymmetrisches Styling. Exner nutzte den Plymouth als Schwanengesang oder „letztes Hurra“ für seine extravaganten Space-Age-Themen. Denn sie gerieten bei der Unternehmensleitung und in der Öffentlichkeit zunehmend in die Kritik – man wollte Ende der 1950er-Jahre weniger dramatische Automobile. Die fünf Jahre zuvor eingeführten Heckflossen hielten jetzt viele für überflüssigen Chromzierrat. Exner, der sich des permanenten Drucks auf seinen Schultern bewusst war, widerstand dem Drang, etwas Ziviles zu schaffen. Und so entstand für eine Premiere auf der New York Auto Show von 1960 und mit ein wenig Hilfe des langjährigen Chrysler-Partners Ghia der Plymouth XNR auf Basis einer Chrysler/Plymouth-Valiant-Basis.

Sicher, der XNR wirkte auf das inzwischen seriösere und dem Chrom abgeschworene Publikum vielleicht zu abgedreht. Aber er erregte genug Aufmerksamkeit, um bei Ghia Hoffnungen auf eine größere Serie zu wecken. Denn die Chrysler-Oberen schlossen das bereits aus, aber ohne zu verzagen schoben die Italiener gleich eine zweite Studie nach: Die im Design „gezähmte“ Interpretation des XNR Roadsters namens „Asimmetrica“. Das Modell wurde 1961 auf dem Turiner Salon und 1962 – zusammen mit einer auf dem Chrysler-Stand stehenden Coupé-Version namens St. Régis – nochmals in Genf gezeigt. Wie gehabt basierten beide Einzelstücke auf der Bodengruppe des Plymouth Valiant. Den „Slant-6”-Motor des Roadsters spendierte Ghia das von den berüchtigten NASCAR-Valiants bekannte Hyper-Pack, mit Carter AFB-Vierfach-Vergaser und geteilten gusseisernen Abgaskrümmern. Nachdem eine Serienfertigung endgültig ad acta gelegt worden war, wurde der Ghia Assimmetrica Roadster in die Schweiz verkauft, und zwar an keinen Geringeren als an Georges Simenon, Autor der berühmten Kommissar Maigret-Romane.

Szenewechsel ins Jahr 2023. Wir hätten es uns nie vorstellen können, dass wir dieses wirklich einzigartige Showcar einmal durch die Vororte von Manhattan cruisen sehen würden. Aber wenn Morton Street Partners beteiligt sind, können Sie immer etwas Besonderes erwarten. Egal, ob es um ein Trio von Fahrzeugen, die vor der Fusion von Mercedes und AMG gebaut wurden geht oder um einen Road Trip entlang der US-Ostküste, der zeigen soll, wie zuverlässig der Citroen SM wirklich ist – MSP ist immer darauf bedacht, den Einwohnern von New York City eine unvergessliche Show zu bieten. 

Während viele Autoliebhaber sofort an große Cadillacs oder Dodges als Ikonen der amerikanischen Autokultur denken, zeigen Kreationen wie der Asimmetrica Roadster von Ghia, wie einzigartig ein Auto sein kann, wenn die Visionen zweier führender Designer und Hersteller zusammenarbeiten. Fragen Sie sich doch mal selbst, ob es andere Autos aus den frühen 1960er-Jahren gibt, die so viele Blicke auf sich ziehen würden wie dieses scharlachrote rollende Raumschiff? 

 

Fotos von Rémi Dargegen

Während der Plymouth nicht zum Verkauf steht, verpassen Sie nicht einen Blick auf die anderen Autos von Mid Century Motoring!