Direkt zum Inhalt

Magazin

Diese Familie stieg in ihr Mercedes G-Modell und schaute nie mehr zurück!

Wir halten immer Ausschau nach interessanten Geschichten. Sei es über einen exzentrischen Sammler oder den Besitzer eines besonders seltenen Autos. Im Fall des Designers Gabriele Demarin hat uns eine zufällige Begegnung über Instagram zu ihm und seinem Mercedes-Benz 200GE geführt...

Wenn Sie, wie wir, schon einmal davon geträumt haben, den Arbeitslaptop und das Telefon für eine Weile auf „nicht stören“ zu stellen, das Auto mit den wichtigsten Snacks und gerade genug Klamotten für ein langes Wochenende zu beladen, um dann auf einen Roadtrip zu gehen, dessen Ziel durch eine zufällig platzierte Stecknadel auf der Landkarte markiert ist – dann ist dies die richtige Geschichte für Sie. Während die meisten das Abenteuer in einem bequemen SUV mit Tempomat oder einem leistungsstarken Kombi suchen, setzen der italienische Designer Gabriele Demarin, seine Partnerin und seine Tochter auf ein ganz anderes Gefährt: einen Mercedes-Benz 200GE aus dem Jahr 1987, natürlich mit 5-Gang-Schaltgetriebe und doppelter Differentialsperre. Ihre Abenteuer haben sie bis jetzt bis nach Island und in die Türkei geführt. Da mussten wir einfach mehr herausfinden...

„Unser 200GE ist eines von nur 610 Exemplaren für den italienischen Markt, als in den 1980er-Jahren eine Sondersteuer auf alle Autos über 2,0 Liter Hubraum erhoben wurde. Um dieses Problem zu lösen, das zu einem Rückgang der Verkaufszahlen geführt hätte, reduzierte Mercedes den Hubraum des 2,3-Liter-Vierzylinders aus dem 230GE auf 2,0 Liter, wodurch die Leistung auf 108 PS und das maximale Drehmoment auf 165 Nm fiel. Und brachte das Modell als 200GE bei uns heraus“, erklärt Daniele. 

Dieses G-Modell mit kurzem Radstand wurde im Januar 1987 in Varese neu gekauft und von zwei Vorbesitzern gut gepflegt, ehe es Gabriele kaufte und in sein Haus am Comer See brachte. Leider wies der G, obwohl er vor Charme nur so strotzte, einige Mängel auf, die behoben werden mussten: „Der Wagen war in einem sehr schlechten Zustand, als ich ihn kaufte. Das über 30 Jahre im Winter gestreute Salz hatte an mehreren Stellen des Unterbodens und an der Unterseite der Karosseriebleche viel Rost verursacht. Trotzdem verliebte ich mich in die Farbe, die Laufruhe des Motors und natürlich in das ikonische Design.“ 

Gabriele, selbst Designer, mochte die kantige Formensprache und den lässigen Charme des 200GE – obwohl er genau wusste, wie viel Arbeit es ihn kosten würde, um den Wagen wieder auf Vordermann zu bringen. Unbeirrt kaufte er ihn primär mit dem Herzen, ohne zu viel darüber nachzusinnen, wie viel ihn die Restaurierung kosten würde. Er fasst es in einem Satz zusammen, den wahrscheinlich viele Oldtimer-Besitzer kennen: „Ich habe einen der größten, aber schönsten Fehler meines Lebens gemacht.“ 

Das G-Modell wurde während der Covid-19-Pandemie restauriert und erhielt neue Aufhängungs- und Rahmenkomponenten; die mechanischen Teile und das Interieur blieben dagegen praktisch unverändert. Was zeigt, wie langlebig diese zusammen mit Steyr-Daimler-Puch in Graz entwickelten und auch in Graz produzierten G-Modelle der ersten Generation (W460) sind. Obwohl Gabriele unbedingt die Originalität des Wagens beibehalten wollte, konnte er auf ein heute selbstverständliches Zubehörteil nicht verzichten: Eine Klimaanlage! „Eine sehr seltene Sonderausstattung in der damaligen Zeit und erst recht in Italien, denn es handelte sich um ein Nachrüstteil der Firma Davia. Das hat mich insgesamt 3.500 Euro gekostet, doch obwohl die AirCon nicht mit modernen Anlagen vergleichbar ist, ist sie in Ländern wie Italien, wo man im Sommer stundenlang mit einem kleinen Mädchen unterwegs ist, jeden Cent wert!“

Als Gabriele und seine Familie sich auf ihr erstes Sommerabenteuer vorbereiteten, war alles an seinen Platz. Der 200GE sah besser aus denn je und war nun ein „ASI-zertifizierter historischer Wagen mit Goldplakette“, was in Italien die prestigeträchtigste Zertifizierung für die Originalität eines Klassikers darstellt. Doch nun war es an der Zeit, den Wagen auf die Probe zu stellen. „Trotz der ganzen Arbeit, den Ausgaben und der Freude, ihn endlich in neuwertigem Zustand zu sehen, hatte ich ihn nicht gekauft, um ihn ins Schaufenster zu stellen“, betont Daniele. „Sondern um ihn wieder zum Leben zu erwecken und gemeinsam mit meiner Familie wunderbare Abenteuer zu erleben.“

Gesagt, getan, begab sich die Familie auf eine epische 7.000 km lange Reise mit mehreren Fährüberfahrten, besuchte Dänemark und sogar für einen kurzen Zwischenstopp die Faröer-Inseln. „Wir sind losgefahren, nachdem wir nur einmal das Zelt und den Kocher getestet hatten, und praktisch ohne spezielle Wohnmobil Anpassungen. Wir haben nur versucht, unser Gepäck clever zu verstauen, damit wir immer alles schnell finden, wenn wir es brauchen. Das hat die ersten paar Tage gut funktioniert, dann wurde das Auto zum Basar!“

Besonders angetan war Gabriele von Islands tadellos gepflegten, kurvenreichen Straßen. Die ständig wechselnden Landschaften und Furten ermöglichten es dem G-Modell, seine Offroad-Fähigkeiten unter Beweis stellen. Gleichermaßen souverän meisterte es wüstenartige Pisten, Flussdurchfahrten und felsige Passagen. „Der Mercedes hatte nie auch das kleinste Problem und brachte uns sicher nach Hause. Am Ende waren wir sehr stolz darauf, eine Leistung vollbracht zu haben, für die uns viele für verrückt erklärt hatten.“

Wie bei so vielen Abenteurern wuchs auch in Danieles Familie die Sehnsucht nach einem weiteren Roadtrip im darauffolgenden Jahr. Die wanderlustige Familie hatte ein neues Ziel im Visier: Istanbul. „Die festgelegte Route führte von Italien über Griechenland in die Türkei und dann über Bulgarien, Nord-Mazedonien, Kosovo, Montenegro, Bosnien und Kroatien zurück nach Hause. Der Nervenkitzel, in unserem mythischen G-Modell über die Galata-Brücke zu fahren, mit all den beleuchteten Moscheen drum herum, war krass.“ Gabriele und das Auto waren dieses Mal etwas besser vorbereitet, aber die Authentizität des 200GE war immer noch sehr präsent – für das ungeübte Auge ist der einzige optische Unterschied das aufklappbare Dachzelt, und genau so wollte es die Demarins auch haben. 

„Ich habe früher immer viele Videos und Fotos von modifizierten 4x4-Fahrzeugen gesehen, aber ich wollte das Auto komplett original belassen. Selbst auf dieser Reise, die uns durch so viele Länder geführt hat, haben wir die unglaublichsten Dinge gesehen und immer sehr aufgeschlossene und freundliche Menschen getroffen.“

Nachdem er mich und die gesamte Classic Driver-Redaktion dazu inspiriert hatte, nur das Nötigste einzupacken und sich auf die Suche nach dem idealen Geländewagen zu machen, war ich neugierig, mehr darüber zu erfahren, warum Gabriele sich für ein G-Modell und nicht für einen Defender oder Land Cruiser entschieden hat. „Das ist eine interessante Frage. Ich habe noch nie einen Mercedes-Benz besessen, und auch in meiner Familie gibt es keine Besitzergeschichte. Mercedes war schon immer eine zu luxuriöse und vielleicht auch etwas zu vornehme Marke, als dass sie für meinen Großvater, meinen Vater und damit auch für mich in Frage gekommen wäre. Aber vor etwa 15 Jahren wurde ich auf die frühen G-Typen aufmerksam, und ich konnte nicht leugnen, dass mich das Design in den Bann zog. Es war rau und puristisch, aber nicht ‚basic‘, zwar minimal, aber nicht ‚simple‘. Alles Eigenschaften, die Autos wie der Defender und der Land Cruiser nicht haben. Nehmen Sie zum Beispiel den Defender. Ein großer Erfolg, ein Auto, das jeder mag, aber wenn Ihr mich nach meiner persönlichen und ehrlichen Meinung fragt, auch ein Auto, das fast jeder hätte entwerfen können. Das G-Modell ist für mich anders, sein Design hat etwas Spezielles, es ist im positiven Sinne eigenartig. Es ist so, wie wenn man ein Design sieht, das gefällig ist, aber einen für eine Sekunde innehalten und darüber nachdenken lässt, weil es nicht genau das ist, was man erwartet hat.“

Zum Schluss möchte ich von Gabriele noch wissen, was seine fröhliche Entdeckertruppe als nächstes vorhat: „Ich habe einen Traum in der Schublade, den ich hoffentlich verwirklichen kann. Aber bald wird ein kleines neues Mitglied der Besatzung geboren, und wir werden sicher noch ein paar Sommer warten müssen, ehe wir neue Abenteuer erleben können!“

Wenn Sie Gabrieles Familien-Abenteuer folgen wollen, dann tun sie das hier auf Instagram.

Fotos von Daniele Demarin