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Liebt jemand den Fiat X 1/9 so sehr wie dieser australische Besitzer?

Während viele einen Ford Fiesta oder VW Polo als erstes Auto hatten, kaufte sich Content Creator Andrew Coles einen Fiat X1/9. Fast 20 Jahre danach hängt er noch immer an seinem kleinen Italiener. Daher trafen wir uns mit dem Aussie um mehr über seinen von Gandini gestylten Klassiker zu erfahren… 

Hallo Andrew! Kannst Du uns am Anfang ein wenig über Dich selbst erzählen und woher Deine Liebe zu Autos rührt?



Ich bin ein freischaffender Fotograf, Autor und Content Creator, mit dem Hauptaugenmerk auf dem Motorsport. In erster Linie berichte ich über historische Autos und Rennen – so über alle Goodwood Events oder auch die Motor Racing Legends-Serie, solche Sachen. 



Ich bin schon seit Kindertagen von Autos besessen, und auch mein Vater hat sich seit seiner Jugend intensiv mit Autos beschäftigt, insbesondere mit italienischen. Er hatte Ducati-Motorräder und Fiats, als sie in den 1970er-Jahren neu herauskamen. Wenn man damals mit einem Fiat 850 Sport durch Australien fuhr, war man definitiv ein Ausreißer. 

Ziemlich cool! Also soweit wir erfahren haben, pflegst Du eine langjährige feste Beziehung mit einem Fiat X 1/9. Wie fing es damit an und was hat Dich an diesem Wagen angezogen?



Das war ein bisschen verrückt. Es war mein erstes Auto, ich kaufte ihn 2004 und ich besitze ihn nun seit fast 20 Jahren. Dabei hatte ich ursprünglich nicht vorgehabt, ihn so lange zu behalten. 



Viele Leute haben den X1/9 nicht wirklich gemocht, aber man sieht ihn an und denkt sich: Ist doch toll, dass man für dieses Geld ein Auto bekommt, das von Marcello Gandini entworfen und bei Bertone gebaut wurde. Es gibt Fotos, auf denen X 1/9 auf dem Fließband neben dem Lancia Stratos zu sehen sind; er wurde von denselben Leuten und in derselben Fabrik in Grugliasco gebaut wie dieser ikonische Rallyewagen. Die Türgriffe sind übrigens die gleichen wie im Stratos und im Innenraum finden sich Teile vom Ferrari 308; solche Dinge machen Eindruck, wenn du ein Teenager bist. Ich konnte zunächst nicht glauben, dass ich mir so etwas als mein erstes Auto leisten konnte.



Und wie war es dann, dieses erste Auto auf der Straße zu fahren?



Ich war der seltsame Kerl, der in einem Auto zur Schule fuhr, das viele Leute für das Auto eines alten Mannes hielten. Aber es hat mich wahrscheinlich in gewisser Hinsicht gerettet. Denn alle die Dinge, die man als Jugendlicher in seinem ersten Auto macht, kann man in einem X1/9 nicht tun. Ein serienmäßiger X1/9 macht Spaß, ist aber sehr langsam, sodass man nicht die Räder durchdrehen lassen, nicht driften und auch keine Handbremswende veranstalten kann. Also nichts vom dem, was 16-jährige Kids normalerweise tun, um ihr erstes Auto zu zerstören. Um ehrlich zu sein, ist das der Grund, warum er so originalgetreu erhalten geblieben ist.

Wie vergleicht er sich in Deinen Augen von anderen Kreationen Gandinis?



Optisch hat er die gleiche keilförmige Ausstrahlung wie der Countach, ein wirklich cleveres Design. Dank der Mittelmotor-Bauweise gibt es einen recht großen vorderen Kofferraum (in dem man das Targa-Dach verstauen kann) und einen weiteren Stauraum im Heck. 



Allerdings hören die Ähnlichkeiten damit schon auf. Ich werde hier nicht sitzen und sagen, er sei ein Baby-Stratos oder -Countach, zumal das Fahrwerk und die Bodengruppe von einem Fiat 128 stammen.

Wir haben uns ein wenig in dieses bezaubernde Grün verguckt – ist das eine Serienfarbe? 



Der Wagen war ab Werk grün lackiert, aber leider ist das nicht der exakte Original-Ton. Als mittlerweile 35-Jähriger – der das beruflich macht und nun viel mehr über Autos weiß – ärgert es mich maßlos, dass es nicht der originale Grünton ist. 



Der Grund dafür war, dass die Jungs von der Karosseriewerkstatt in Australien sagten, dass es billiger sei, wenn man zur Auffrischung eine Farbe von der Stange nähme, anstatt ein Muster manuell farblich anzupassen. Der Ton kommt also der Werksfarbe sehr nahe, ist aber etwas dunkler als das Originalgrün. Ich ärgere mich immer noch darüber, vielleicht muss ich ihn eines Tages neu lackieren.

In welchem Zustand war der Wagen denn, als Du ihn gekauft hast?



Er war schlecht lackiert, und nachdem ich ihn ein paar Jahren gefahren hatte, kam an einigen Stellen Rost durch. Also nahm ich ihn mit ein paar Kumpels in der Garage meines Vaters auseinander und schickte ihn in eine Karosseriewerkstatt für die Neulackierung. Ich war zu der Zeit an der Uni und arbeitete neben dem Studium in einem Teilzeitjob, um den Wagen zu bezahlen. Es war die klassische Situation, in der wir einen Karosseriebauer fanden, der ohne Rechnung arbeitete und sein Geschäft aufgab, kurz nachdem er das Auto fertiggestellt hatte. Es war ein bisschen dubios, aber es hat eigentlich ganz gut funktioniert.

Ich denke, wir waren alle einmal an solch einem Punkt. Doch es scheint, als wäre dann noch mehr gemacht worden.


Ja, der Plan sah ursprünglich nur die Neulackierung vor, doch als das erledigt war, meinte der Typ: „Wollen Sie das wirklich vernünftig erledigt haben?“ Und ich sagte: „Äh... Ja?“. Also nahm er einen Hammer, ging zum linken Türschweller und schlug ein Loch in die Seite. Im Nachhinein betrachtet war der Zustand für ein italienisches Auto aus den 1970er-Jahren gar nicht so schlimm, aber der Wagen brauchte trotzdem neue Schweller und auch neue Teile an der Front.


Dann entwickelte sich das Ganze zu einem Fall von Übermut. Es gibt diese schöne Zeit in deinem Leben, wenn du deinen ersten Job hast und noch zu Hause wohnst, du verdienst halbwegs gut, hast aber keine Verpflichtungen. Ich glaube, mein verfügbares Einkommen betrug etwa 80 Prozent meines heutigen Verdienstes, also schaute ich mir das Auto an und dachte: ‚Ich brauche auf jeden Fall Rennsport-Gewindefahrwerke und auf jeden Fall Wilwood-Bremsen‘. Dieses Auto ist ein Spiegelbild meiner Reise, auf der ich immer mehr über Motorsport und Autos gelernt habe. Je mehr ich daran gearbeitet habe, desto mehr habe ich über Abarth erfahren und darüber, dass der X1/9 Prototipo fast das neue WRC-Auto von Fiat geworden wäre. Er hätte wirklich der nächste Stratos werden können.

Nach all dieser Arbeit: Wie fühlt es sich an, ihn nun auf der Straße zu fahren?



Am wichtigsten ist, dass er aufregend ist, dass man gut am Lenkrad arbeiten muss und dass er unheimlich viel Spaß macht. Ein Kumpel hat ihn einmal mit einem F40 verglichen, mit dem man ein paar Mal im Jahr eine halbe Stunde lang fährt. Und das reicht, um seine Existenz zu rechtfertigen!



Meinem Dad macht man nicht viel vor, wenn es um Arbeiten an Autos geht. Aber er ist bei weitem kein Profi, und wir haben viel gelernt. Wir haben zum Beispiel zwei Motoren selbst gebaut, bei denen innerhalb der ersten 100 Kilometer die Kopfdichtungen durchgebrannt sind. Irgendwann sah ich ein, dass ich einen Profi brauchte, und so wandte ich mich an einen Spezialisten für Rennmotoren. Und der baute einen Motor, der jetzt seit zehn Jahren funktioniert.

Wow, das würde man nicht erwarten, wenn man sich nur das Exterieur anschaut! Wieviel PS leistet er denn jetzt? 

Wir haben versucht, mit maßgeschneiderten Teilen zu arbeiten. Ich habe geschmiedete Kolben gekauft, alle internen Teile wurden erleichtert und gehärtet, und wir haben große Weber-Vergaser eingebaut. Der Motor lief nur einmal auf dem Prüfstand und hat 98 PS auf die Antriebsräder gebracht, was ungefähr 135 PS am Schwungrad entspricht. Der Standardmotor leistete 74 PS am Schwungrad, wir haben dessen Leistung also fast verdoppelt. 

Das Problem ist, dass die Zündkerzen verschmutzen, wenn er zu lange im Verkehr steht, und er mag es auch nicht, bei heißen Außentemperaturen zu stark belastet zu werden. Es ist die Art von Motor, die man idealerweise alle paar Monate für ein kurzes Tuning auf den Prüfstand schicken würde, aber mit 22 oder 23 Jahren will man immer die extreme Option. Ich würde es heute anders machen, aber der Motor macht großen Spaß und auch der Sound ist fantastisch. Er bringt mich zum Lachen und das ist die Hauptsache.

Welchen Ratschlag würdest Du jemandem geben, der sich ernsthaft für einen Fiat X 1/9 interessiert? 

Das Problem bei all diesen Autos ist, dass es schwierig ist, noch ein gutes Exemplar zu finden. Sie wurden nicht besonders gut gebaut, und es gibt eine Menge dokumentierter Probleme mit den Karosserien. Ich habe keine Ahnung, wie sie mehr als ein paar Winter in Europa überleben konnten, denn sie rosten sogar in Australien.

Die Preise sind zwar gestiegen, aber immer noch erschwinglich. Wenn man eine Karosserie großflächig reparieren will, kostet das genauso viel wie bei jedem anderen Auto. Deshalb geben die meisten Leute, die halbwegs bei Verstand sind, das Geld dafür nicht aus, zumal Arbeit heutzutage so teuer ist. Es macht wirtschaftlich einfach keinen Sinn.

Aber mechanisch sind sie großartig. Der Motor ist ja nur ein Fiat mit einer einzelnen obenliegenden Nockenwelle, er ist simpel aufgebaut und robust, es gibt noch relativ viele Ersatzteile. Der Motor sitzt an der richtigen Stelle – als Mittelmotor quer hinter dem Cockpit – die Bremsen und die Lenkung funktionieren ohne Servo-Unterstützung, und das Auto ist leicht. Mein X 1/9 wiegt etwa 970 kg, was im Vergleich zu einem Lotus nicht gerade ein Fliegengewicht ist, aber er ist ziemlich verwindungssteif. Mir wurde auch gesagt, dass sie bei einem Unfall einigermaßen sicher sind, ich hoffe, das ist wirklich so.

Obwohl der X1/9 ein so herausragendes Design aufweist, hat er sich nie wirklich durchgesetzt. Woran liegt das Deiner Meinung nach, und könnte sich das ändern?

Bizarrerweise sind die Fotos, die ich auf meinen sozialen Netzwerken (@agr_andrew) von ihm gepostet habe, die mit Abstand beliebtesten Posts, die ich je gemacht habe. Ich denke, dass X1/9 lange Zeit ziemlich uncool waren. Aber in den letzten Jahren scheint sich dieser Trend, aus welchen Gründen auch immer, ein wenig umzukehren.

Australien ist mittlerweile ein solcher Polizeistaat, dass man hier nicht schnell fahren kann. Aber den X1/9 – er ist stinkend, laut, holprig und langsam - kann man wirklich genießen und couragiert bewegen, besonders in den Adelaide Hills.

Zwischen Mad Max und Mighty Car Mods hat Australien eine ziemlich lebendige Autoszene. Aber wenn wir an australische Autokultur denken, dann an Holdens und JDM-Importe. Du stammst aus einer Familie italienischer Classic-Car- Enthusiasten. Welche Erfahrungen habt Ihr damit in Australien gemacht?

Als mein Vater in den 1960er- und 1970er-Jahren jünger war, hatte er 124 Coupés, 850 Coupés und eine Ducati 750 Sport, mit denen er ins Outback fuhr. Er erzählt einige erstaunliche Geschichten über eine Fahrt mit seinem 850 Sport nach Darwin, als es noch keine befestigten Straßen und keine Handys gab. Das ist eine Tour, die die Leute heute in Land Cruisern auf dem asphaltierten Highway machen und sich einbilden, sie seien unerschrocken.

Damals hatten alle Holdens und Fords, und der V8-Falcon war der König. Damals kostete ein 850 Sport fast so viel wie ein GT Falcon, und ich glaube, seine Freunde hielten ihn für verrückt. Aber er sah einfach, dass diese kleinen Autos etwas Spezielles hatten.

Heute gibt es in den meisten Städten eine spannende Autokultur. Ich habe ein paar Kumpels mit 911ern und BMWs, aber es gibt einfach nicht die gleiche Dichte an Autos wie in Europa. In Sydney und Melbourne finden sich einige wirklich coole Autos, aber seit der Pandemie hat sich die Kultur auf Geländewagen verlagert. Es dreht sich alles um Offroad und Camping.

Es sieht so aus, als hättest Du mit Deinem X1/9 schon einige spektakuläre Straßen befahren! Für unsere Leser, die nach Australien reisen: Wo gibt es den besten Asphalt in down under? 

Ich bin vielleicht voreingenommen, aber die Adelaide Hills sind episch. Ich hatte das große Glück, mit meinem 986 Boxster auf einigen fantastischen Straßen in den Alpen zu fahren, und die Straßen in den Adelaide Hills sind im Vergleich dazu absolute Weltklasse. Das Problem ist, dass man nicht so schnell fahren darf, aber in den Hills gibt es so viele enge und kurvige Stellen, dass man ziemlich forciert fahren kann und trotzdem nahe am Tempolimit bleibt.

Außerdem gibt es in den Hügeln drei weltberühmte Weinregionen, die nur eine Stunde von der Stadt entfernt sind. Es gibt die Adelaide Hills, das McLaren Vale und das Barossa Valley. Es ist kein Ziel für rasante Fahrten, aber wenn man einen schicken Sportwagen hat und zwischen ein paar Weingütern hin- und herfahren möchte, um dort zu Mittag zu essen und einen Kaffee zu trinken, dann eine Genussfahrt zu machen, um zum Sonnenuntergang am Strand zu sein, kann man das sehr gut tun. Es ist alles sehr leicht erreichbar.

Und schließlich: Was hast Du mit Deinem Fiat und dem Rest Deiner Garage vor? Hast Du ein Auge auf andere automobile Design-Ikonen geworfen?

Es gibt keine unmittelbaren Pläne für den Fiat. Im Moment lebe ich in Europa und fahre ein- oder zweimal im Jahr nach Hause. Dann kann ich ihn aus dem Schuppen rollen und mit ihm etwas herumfahren und einen Kaffee trinken gehen. Irgendwann werde ich ihn wohl wieder restaurieren müssen. Wenn man mit historischen Rennwagen arbeitet, sieht man, wie gut diese GT-Rennwagen aus den 1960er-Jahren vorbereitet sind. Mit Bezug auf den Fiat heißt das: Es gibt nichts, was wir bei ihm falsch gemacht haben, aber es waren nur ich, meine Kumpels und mein Vater. Doch jetzt haben sich meine Ansprüche völlig verändert.

Aktuell liebe ich meinen 986 Boxster S, er ist einfach umwerfend. Aber ihr Jungs berichtet ja regelmäßig über 996. Also vielleicht ist das ja der Nächste! 

Fotos von Andrew Coles