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Maserati GranCabrio: Viva la Diva!

Im März bringt Maserati seinen ersten offenen Viersitzer auf den Markt. Das neue GranCabrio soll vor allem die amerikanischen und deutschen Kunden mit divenhafter Eleganz und großen Emotionen um den Finger wickeln. Classic Driver hat die kapriziöse Primadonna im italienischen Lazio zu einer ersten Frühlingsausfahrt entführt.

Deutschen Journalisten fällt es beim Kontakt mit italienischen Automobilen oftmals schwer, den teutonischen Technik-Perfektionismus für einen Moment beiseite zu legen – und die jeweilige Macchina nicht pragmatisch, sondern emotional zu erfahren. Kritisch werden Spaltmaße beäugt und Funktionstasten kontrolliert, während die italienischen Kollegen einem heimischen Luxuswagen eher mit jener Mischung aus Bewunderung und schulterzuckender Nachsichtigkeit gegenüber treten, die man südlich der Alpen einer attraktiven, willensstarken, dabei jedoch nicht unkomplizierten Ragazza entgegen bringt: Was soll man machen, wo sie doch so wunderschön ist? Mit dem neuen Maserati GranCabrio, das letzten Herbst auf der Frankfurter IAA debütierte und im März in Europa zu den Händlern kommt, treibt die Fiat-Tochter aus Modena die bisherige Emotionalisierungsstrategie auf die Spitze. Selten sah ein viertüriges Cabriolet so gut aus, selten hatte ein durchaus familientauglicher Sportwagen so viel Charme und Charakter. Mit Ikonen wie dem Mistral Spyder oder dem Ghibli Spyder hatte Maserati zwar schon in der Vergangenheit herausragende Open-Air-Sportwagen geschaffen – aber eben immer nur für zwei Personen.

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Dennoch stellt sich die Frage, ob der Diven-Bonus ausreicht, um sich im überschaubaren Segment der großen Luxus-Cabriolets gegen die nordische Konkurrenz – Maserati nennt BMW M6 Cabrio, Jaguar XKR Cabrio, aber auch Bentley Continental GTC als größte Konkurrenten – durchzusetzen. Als Basis für das Maserati GranCabrio dient das GranTurismo Coupé. Um die elegante, von Pininfarina gezeichnete Silhouette zu erhalten, entschieden sich die Vorstände in Modena schon früh gegen ein Hardtop und für ein klassisches Stoffverdeck. Auch die Ingenieure werden dieser Lösung schnell zugestimmt haben: Trotz der nötigen Karosserie-Verstärkungen und der Dach-Mechanik wiegt das GranCabrio nur 100 Kilo mehr als der GranTurismo. Ein Leichtgewicht ist das 1.980 Kilogramm schwere Cabrio deshalb aber noch lange nicht. So verwundert es auch nicht, dass Maserati das neue Modell ausschließlich mit 440 PS und 490 Nm starkem 4,6 Liter V8-Motor aus dem sportlicheren GranTurismo S anbietet und das kleinere 4,2 Liter Aggregat überspringt. Statt harter Cambiocorsa-Schaltung ist für das Cabrio allerdings nur die sanftere Sechsgang-Automatik vorgesehen. Spätere Kurswechsel sollte man bei Maserati jedoch nie ausschließen.

In den Straßen von Rom und auf der „Autostrada Azzurra“, die uns entlang der Mittelmeerküste in Richtung des Bergdorfes Tolfa führt, lässt sich bereits das fahrdynamische Spektrum des Cabriolets erahnen. Im Standard-Modus gleitet der Maserati als unaufgeregter, komfortabler Cruiser über den Asphalt. Drückt man jedoch die „Sport“-Taste auf der Mittelkonsole, wandelt sich der Charakter: Ungeduldig und nervös reagiert der Wagen plötzlich auf jeden Gasstoß, ab 4.000 Umdrehungen stimmt die Sportabgasanlage zudem jenes heiser dröhnende, mitunter von zutiefst animalischem Husten gebrochene Vibrato an, dem das GranCabrio einen Großteil seiner Faszination schuldet. Kein anderer Sportwagen aus der Komfortzone kann einen derart elektrisierenden Motorsound vorweisen. Dass man das Konzert dank Faltdach nun auch unter freiem Himmel genießen kann, ist einer der großen Vorteile des Cabriolets gegenüber dem nicht weniger stimmbegabten Coupé. Bei 274 km/h, die man mit offenem Verdeck maximal fahren kann, dürfte der Klang aber im Brausen des Windes untergehen.

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Als die Straßen enger und steiler, die Kurven spürbar schärfer werden, lässt sich auch die von Maserati so laut gerühmte Karosseriesteifigkeit überprüfen. Mit 4,88 Metern Länge, knapp drei Metern Radstand und einer langen Fronthaube ist das große Cabriolet freilich kein Kurvenkünstler mit Go-Kart-Feeling. Wer bisher etwa den zweisitzigen Maserati GranSport Spyder gewöhnt war, dürfte sich zunächst einmal umgucken. Wie eine Luxusyacht kreuzt das GranCabrio den Berg hinauf, schwingt sich um jede Kurve, auch das Gewicht ist dabei – trotz Leistung und Drehmoment – immer zu spüren. Bei der Bergabfahrt sind es hingegen die Bremsen, deren Feedback man vermisst. In der einen oder anderen Haarnadelkurve hätte man sich doch ein weing mehr Rückmeldung gewünscht. Erbsenzählerei, würde an dieser Stelle wohl ein italienischer Kollege einwenden. Das Maserati GranCabrio ist schließlich kein kurvenschneidender Hochleistungs-Purist, sondern ein sportlicher Gleiter, den man gelassen durch die italienische Landschaft dirigiert. Genügend Boost zum Überholen der obligatorischen Pandas und Puntos hat er in jedem Fall: Der Sprint von 0 auf 100 km/h dauert nur 5,4 Sekunden.

Kaum länger benötigt der Maserati für die Wandlung vom vollwertigen Coupé zum Cabriolet: Bis das Stoffdach im Heck verschwunden ist, dauert es 20 Sekunden. Noch einmal acht Sekunden vergehen, dann sind die Scheiben wieder hochgefahren. Möglich ist die Transformation allerdings nur bis 30 km/h. Zur Sicherheit der Passagiere hat Maserati ein umfassendes Sicherheitspaket installiert, das im Falle eines Überschlags zwei Überrollbügel nach oben schießen lässt, und zudem auch die neu entwickelten Kopf- und Thorax-Airbags gehören.

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Das ist beruhigend, ein größeres Verkaufsargument dürfte jedoch sein, dass – im Gegensatz zu den spartanischen Fond-Mulden zahlreicher 2+2-Sitzer – tatsächlich alle vier Sitze des Maserati GranCabrio auch für längere Strecken geeignet sind. Maserati erklärt etwas umständlich, dass „62,5 Prozent aller Menschen auf den hinteren Sitzen ausreichend Platz finden“. Was im Klartext bedeutet: Wer die 1,74 Meter nicht überschreitet, kommt hinten nicht in Bedrängnis. Weitaus häufiger dürften die Sitze jedoch als Gepäckablage genutzt werden, denn der Kofferraum wurde durch das Verdeckfach fast vollständig verdrängt. Für diesen Fall lassen sich die Rücksitze übrigens auch mit einem Windschott abdecken, das die Gepäckstücke auch bei geöffnetem Verdeck vor Langfingern schützt.

Bei der Ausstattung des Innenraums hat Maserati wieder einmal norditalienische Klasse bewiesen. Besonders beeindruckend ist die neue Bose-Surround-Audioanlage. Neben den aus dem GranTurismo bekannten Interior-Serien werden für das GranCabrio auch neue Lederfarben und Applikations-Materialien angeboten, die mit 14 Lackvarianten und sechs verschiedenen Stoffdach-Tönen stilsicher kombiniert werden möchten. Im Idealfall evozieren die milchigen Karamell- und Beigetöne des Cabriolets das Bild eines geöffneten Bechers Dulce de Leche von Häagen-Dazs – wie bei unserem Testwagen. Ob man bereit ist, für die italienische Versuchung den Mindestpreis von 132.700 Euro zu investieren, hängt letztlich von den persönlichen Vorlieben ab: Pragmatiker werden ihr Glück vielleicht eher bei nordischen Fabrikaten finden, während emotionsgetriebene Käufer den Kurven, dem Klang, den Farben und dem kosmopolitischen Charisma der Modeneser Diva sicherlich kaum etwas entgegen setzen können. An Maserati scheiden sich zum Glück auch weiterhin die Geister!

Text & Fotos: Jan Baedeker

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