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Porsche Panamera: Alles auf 4

Jetzt wird’s ernst! Ab September startet der neue Porsche Panamera. Auf der vierten, viertürigen Baureihe lasten hohe Erwartungen: Lässt sich die Zielgruppe trotz Krisenhemmung zum Kauf verlocken? Gelingt der Spagat zwischen Sportwagen, Limousine und Markentradition? Wir haben die beiden Top-Versionen zwei Tage lang am Fuße der Zugspitze getestet – und waren zunächst einmal sprachlos.

Erst die Klimadebatte, dann die Wirtschaftskrise und nun die Zitterpartie mit Volkswagen – Porsche durchfährt nach einem Jahrzehnt des Erfolges wieder unruhige Gewässer. So ist der Porsche Panamera, mit dem die Zuffenhausener ab Herbst die Lücke zwischen 911er und Cayenne schließen wollen, auch nicht mehr die sichere Wette, als die er vielleicht vor zwei Jahren auf den globalen Markt gekommen wäre. Dennoch, oder vielleicht auch gerade deshalb, wartet momentan das gesamte Automobiluniversum mit angehaltenem Atem auf die ersten, handfesten Prognosen. Wachstums-Turbo und Messias-Modell eines kommenden Aufschwungs? Oder doch ein dem Untergang geweihter Mehrtürer-Märtyrer wider jeglicher Vernunft? Die Erwartungen könnten unterschiedlicher nicht sein.

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Porsche hat die internationale Presse in diesen Tagen zu einer ersten Testfahrt geladen. Statt an den sonst üblichen Mittelmeer-Destinationen wird der „Media Launch“ dieses Mal in Südbayern, quasi in den Kutschenspuren des Märchenkönigs Ludwig II., abgehalten. Trotz allem Luxus ist der taubenblaue Porsche Panamera 4S, den wir am Münchener Flughafen entgegen nehmen, eher die technokratische Antithese zu Ludwigs postromantischem Neuschwanstein. Die ersten Autobahnkilometer in den tief liegenden Cockpit-Sitzen, mit Blick auf eine ganze Batterie von Knöpfen, Schaltern und Displays in betont schlichter Raumschiff-Ästhetik, verstärken das Bild vom schwäbischen „Homo Faber“ hinter der beeindruckenden Präzisionsmaschinerie. Man tritt das Gaspedal durch – und um das Wichtigste vorweg zu nehmen: Das Fahrerlebnis ist atemberaubend und völlig neu. In dieser satten, krafterfüllten und selbstsicheren Vollkommenheit mit kaum einem anderen Automobil zu vergleichen. Und doch ist die technische Perfektion keine Überraschung. Man hatte mit so etwas gerechnet – dazu gleich mehr.

Weniger vorbereitet trifft das plötzliche Erscheinen der prägnanten Front im Rückspiegel die anderen Autofahrer. Kein Hupen und aufgeregtes Winken, dafür huschen im Augenwinkel zahllose offene Münder und in Ehrfurcht erfrorene Gesichtszüge vorbei. Die Fassungslosigkeit ist zum Teil auf die schmerzhaft lange Vorbereitsungskampagne von Porsche zurückzuführen, die den Panamera schon vor dem Stapellauf zum mythischen Wesen verklärte. Andererseits ist es natürlich die ungewohnte Physis des fast fünf Meter langen, aber nur 1,41 Meter hohen Viertürers, die überrascht: Einerseits stimmt der von Michael Mauer und Team entworfene Panamera in allen wichtigen Erkennungsmerkmalen – sprich: den ausgeprägten Kotflügeln, dem Verzicht auf einen klassischen Kühlergrill, den ausgeprägten Schultern und dem stark abgerundeten Heck – mit der Formensprache überein und ist sofort als Porsche zu erkennen.

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Andererseits ist das Format zwischen Sportwagen und Limousine schlicht zu neu, um nicht erst einmal stutzig zu machen. Ist der Wagen eigentlich schön? Angesichts der Pressebilder fiel es zunächst schwer, dem massigen Körper und ausgeprägten Hintern so etwas wie sportliche Eleganz zuzugestehen. Nun, nach zwei Tagen auf der Straße, kann ich sagen: Der Panamera ist sehr wohl elegant, auf eine ganz eigene Art auch äußerst attraktiv. Viel mehr als bloße Schönheit ist es aber seine unvergleichliche, sinnliche Präsenz, die man sonst viel eher bei einem Bugatti aus den 1930er Jahren findet. Nach diesem Knockout-Kompliment könnte ich eigentlich schon aufhören zu schreiben und dem Porsche Marketing mit gutem Gewissen einen Blanko-Anzeigenvertrag zur Unterschrift vorlegen – doch es geht noch weiter.

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Der Porsche Panamera soll die markentypische Sportlichkeit mit dem typischen Reisekomfort eines Gran Turismo verbinden – und zwar auf allen vier Plätzen. Tatsächlich sitzt man auf dem Fahrersitz fast so tief wie im 911er und blickt auch auf ein ähnliches Armaturen-Programm, während die durchläufig ansteigende Mittel-Schaltkonsole im Stil des Carrera GT einen neuen, noch dramatischeren Aspekt ins Innendesign einführt. Noch schwieriger wird es gewesen sein, den sportlich-chimären Anspruch im Fond fortzusetzen. Doch auch hier setzt sich das Cockpit-Gefühl fort: Die Sitzposition der Einzelsitze ist stärker nach hinten gekippt, als man es aus klassischen Limousinen kennt, und die ansteigende Schulterlinie sowie die eher kleine, trapezförmige Heckscheibe sorgen für die Geborgenheit eines 2+2-Sitzers wie dem Bentley Continental GT – nur eben mit genügend Kopf- und vor allem Beinfreiheit, selbst für Sitzriesen. Dass man im variablen Gepäckraum zwischen 432 Liter und 1.250 Liter (bei umgeklappten Rücksitzen) unterbringen kann, scheint ein weiteres Wunder der Tropfenform zu sein.

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Doch natürlich ist eine Mixtur aus Sportwagen und Limousine auch ein Kompromiss. Bei Porsche wird das nicht geleugnet, im Gegenteil: Man macht sich die Unterschiede zu nutzen und ermöglicht es dem Fahrer, je nach Geschmack zwischen den zwei Seiten des Charakters hin- und herzuschalten. Das gilt für alle drei aktuellen Modelle: den Panamera S (mit 400 PS starkem V8), den Panamera 4S (das gleiche Triebwerk mit Allradantrieb) und den Panamera Turbo. Schon die beiden Saugmotoren sind mehr als ausreichend motorisiert. Im Turbo, den wir am zweiten Tag der Testfahrt durch Serpentinenkurven jagen und über Landstraßen fließen lassen, kommt die intendierte Persönlichkeitsspaltung jedoch am deutlichsten heraus: Mit 500 PS und vor allem 770 Newtonmetern ist der doppelt aufgeladene Achtzylinder für brachialen Vortrieb ausgelegt und spurtet im Launch-Control-Modus in nur 4,2 Sekunden auf 100 km/h, kann gleichzeitig aber auch lammfromm dahingleiten. Komfort, Sport, Sport Plus - alles ist eine Frage der Einstellung. Denn nicht nur das Fahrwerk, auch die Stabilitäts- und Traktionsmanager PSM und PTM, die Motorsteuerung und vor allem das unglaublich schnelle, erstmals in einem Wagen dieses Formats eingesetzte 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe PDK lassen sich über die Cockpit-Klaviatur umfangreich modifizieren.

Die für Panamera S und 4S optionale, beim Turbo serienmäßige Luftfederung bietet als Alternative zu den Stahlfedern allerdings einen noch größeren Spielraum in beide Richtungen, etwa durch die Absenkung der Karosserie im Sport Plus-Modus (den es übriges nur mit dem aus anderen Porsche-Reihen bekannten, aufpreispflichtigen Sport Chrono Paket gibt). In der Praxis beeindruckt vor alle, wie präzise, agil und ohne die fahrdynamischen Unstimmigkeiten zahlreicher Hochdruck-Kolosse der Panamera die Kraft auf die Straße bringt. Neben dem kaum in aller Ausführlichkeit erläuterbaren High-Tech-Paket sind es auch der lange Radstand, die breite Spur, die kurzen Überhänge und der tief eingebaute Motor, die sowohl beim High-Speeding auf der Autobahn (303 km/h im Turbo!) als auch auf kurvigen Bergstraßen eine wirklich sensationelle Straßenlage ermöglichen. Spielend-sportlicher kann man ein Zwei-Tonnen-Auto nicht bewegen, wobei wir bei entsprechenden Ambitionen letztlich doch die Investition in die einhundert Mehr-PS des Biturbo empfehlen. Der Fahrspass ist einfach zu groß.

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Den 500 PS der großen Maschine sollte man, wo man bereits in die Spendierhosen gestiegen ist, auch gleich die rund 1.700 PS Bremsleistung der optionalen Keramikbremsen entgegenstellen, die den Panamera Turbo in nur sieben Sekunden von 303 km/h auf Null entschleunigen. A propos Vernunft: Bei der Fahrvorstellung unterstrich Porsche, dass der Panamera trotz immenser Leistung ein effizientes, gar sparsames Automobil sein kann. Neu ist etwa die Start-Stopp-Automatik, die den Motor beim Stillstand zum Schweigen bringt und nach kurzem Gasbefehl sofort erweckt. Spritsparen hilft laut der Entwickler auch das PDK-Getriebe, das im Komfort-Bereich bereits im zweiten Gang losfährt, und der ausfahrbare Heckspoiler, der den Anpressdruck an den Hinterrädern bei hohen Geschwindigkeiten steigern soll. Um die angepeilten 11,1 Liter (4S) bzw. 12,2 Liter (Turbo) Super Plus auf 100 Kilometer tatsächlich zu erreichen, sollte man allerdings die Finger von den Sport-Tasten lassen. Im Test mit dem Turbo kamen wir eher auf Werte zwischen 14 und 16 Liter.

Dass ein so großes, schweres, leistungsstarkes Auto wie der Porsche Panamera ähnlich durstig ist, wie die vergleichbare Konkurrenz, wird viele Kritiker bestätigen. Die Ankündigung, ab 2010 auch einen nur 300 PS starken V6 sowie einen Hybrid ins Programm zu nehmen, soll die Gemüter derweil etwas besänftigen. Dass sich der Panamera trotz Umweltproblematik und Wirtschaftsflaute gut verkaufen wird, schätzt zumindest der Vorstand von Porsche: Mindestens 20.000 Exemplare der vierten Baureihe sollen pro Jahr gefertigt werden. Für die Zielgruppe wird der Einstiegspreis von rund 95.000 Euro für den Panamera S, rund 102.000 Euro für den Panamera 4S und stolze 135.000 Euro für den Panamera Turbo plus zahlloser kostspieliger Extras und Individualisierungsmöglichkeiten keine wirkliche Hürde darstellen. Schließlich ist der Panamera ein wahrer Porsche, und da spielt Pragmatismus nur auf der Produktionsseite eine Rolle. Wie auch immer der Markt reagiert – die Panamera-Experience hat gerade erst begonnen.

Text & Fotos: Jan Baedeker

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