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Magazin

Range Rover Classic

Adel verpflichtet

Text: Sven Jürisch
Fotos: Jan Baedeker

Edel sei das Auto, hilfreich und gut. Der Range Rover der ersten Generation erfüllte zumindest die ersten beiden Anforderungen perfekt. Wie es dagegen um die Langzeitqualität des edlen Briten bestellt ist, klärt unsere Detailbetrachtung.

Im Jahr 1970, dem Debütjahr des Range Rover, gab es keine Mottoshows. Die Musikwettbewerbe waren noch frei von pubertierenden Nachwuchsstars und auch großvolumige V8 Benziner galten noch nicht als anstößig. In diese Welt passte der zu Beginn nur als Dreitürer mit kurzem Radstand lieferbare Range Rover als Krönung des Programms von Britsh Leyland. Es schien, als hätte die Welt auf jenen luxuriösen Allradler gewartet. Denn ein Fahrzeug, was auch in unwirtlichem Terrain den Luxus einer Limousine bot, hatte es bisher noch nicht gegeben. Mit den bis dahin angebotenen Geländewagen erreichte man zwar sein Ziel, war danach aber ein Fall für den Physiotherapeuten.

Der Range Rover war der Aufbruch in eine neue Fahrzeugklasse. Angetrieben von einem drehmomentstarken Buick-V8 konnten sich die Insassen auch dann noch in den bequemen Ledersesseln räkeln, wenn andere Fortbewegungsmittel schon längst versagten. Derartige Einsätze bildeten jedoch die Ausnahme. Denn schnell entdeckte die Elite den kantigen Geländegänger für sich und nutzte ihn vorwiegend in edlem Schwarz als Prestigeobjekt zum Schaulaufen auf den Boulevards des Jetsets. Um den individuellen Anforderungen der Kundschaft gerecht zu werden, entstanden in den Achtzigerjahren zahlreiche Sonderversionen, etwa Convertibles zur Falkenjagd oder eine dreiachsige Version.

Angesichts des Neupreises eines aktuellen Range Rover von beinahe 100.000 Euro lohnt die Frage, ob die Anschaffung eines alten Range als Ersatzbefriedigung taugt. Denn eines hat der Begründer der SUV-Klasse auch in seiner Urversion nach wie vor: Die Klasse eines majestätischen Automobils.

Die Technik

Technisch ist der Range Rover ein simples Konstrukt. Der altertümliche 3,5 Liter V8-Vergasermotor (127 PS ohne Katalysator), ebenso wie die später angebotene 3,9 Liter Einspritzvariante (186 PS mit Kat) gelten als robust und langlebig. Probleme bereiten lediglich eingelaufene Nockenwellen, erkennbar an dem damit einhergehenden Leistungsverlust. Der erst später eingesetzte 4,2 Liter V8 mit einer Leistung von 202 PS krankt mitunter an thermischer Überlastung, sodass gerade bei diesem Modell häufig Fahrzeuge mit Tauschmotoren anzutreffen sind. Für den täglichen Gebrauch sollte man in jedem Fall nach einer Version mit geregeltem Katalysator und einer Einspritzanlage Ausschau halten.

Dank des drehmomentstarken V8 ist das ab 1982 angebotene Automatikgetriebe (3-Gang, ab 1985 4-Gang) dem ebenfalls angebotenen 5-Gang Schaltgetriebe vorzuziehen. Die Getriebe bieten zwar nicht den Schaltkomfort moderner Automaten, bereiten aber bei pfleglicher Behandlung kaum Probleme. Achten sollte man jedoch auf verdächtigen Ölnebel an den Aggregaten, da insbesondere seit Jahren abgestellte Fahrzeuge bei plötzlicher Aktivierung zu erstaunlicher Inkontinenz neigen.

Das aus zwei Starrachsen bestehende Fahrwerk leidet nur bei hartem Geländeeinsatz unter vorzeitigem Verschleiß. Bis 1992 kümmerten sich vier Schraubfedern um den Fahrkomfort, danach wurde optional auch eine Luftfederung angeboten, die speziell dem Range Rover mit langem Radstand ein zusätzliches Maß an Fahrkomfort beschert. Gleichzeitig konnte auch erstmals eine elektronische Traktionskontrolle bestellt werden. Doch mit dem Einsatz von immer mehr Technik und dem gleichzeitig steigendem Kostendruck des Herstellers stieg auch die Defektanfälligkeit des Range Rover.

Sichtbar wird diese zudem an der aus Aluminium gefertigten Karosserie. Schlechte Hohlraumversiegelung, Kontaktkorrision aufgrund verschiedener Materialien sowie eine insgesamt unterdurchschnittliche Verarbeitung sorgten bereits zu den Lebzeiten des Range Rover für Probleme, die auch die Anbauteile wie Türen und Klappen betrafen. So kann beispielsweise die Aufnahme des Heckklappenscharniers so geschwächt sein, dass man die Klappe eines Tages beim Öffnen in der Hand hält. Exemplare mit dem seinerzeit beliebten Vinyldach leiden zudem unter verborgenem Korrisionsfraß an den Säulen und der Dachhaut, Modelle mit Schiebedach können aufgrund verstopfter Wasserabläufe ebenfalls zu Dauerbaustellen werden. Und auch im Inneren des englischen Patienten ist der sich oftmals mit dramatischen Bögen herabsenkende Dachhimmel nur einer von vielen möglichen Mängeln. Daneben reißen die Kunststoffarmaturenbretter, brechen Plastikverkleidungen und haken Zünd und Türschlösser. Das Qualitätsdrama erlebt seinen Höhepunkt im Bereich der Elektrik. Nahezu alle Verbraucher sind potentielle Fehlerquellen und sollten auf ihre Funktion geprüft werden. Fündig wird man mit Sicherheit, denn nicht nur Fensterheber, Schiebedachmotoren oder Sitzverstellungen stellen gern ihren Dienst ein. Auch die Kontrollleuchten oder simplen Schalter bieten oft genug Anlass zum Verdruss.

Viel Schatten, wenig Licht für den ersten SUV. Doch der Range Rover versteht es, selbst seine ärgsten Kritiker in seinen Bann zu ziehen. Denn er bietet wie kaum ein anderer seiner Klasse das Erlebnis des SUV-Fahrens, ohne den oftmals zu spürenden Sozialneidfaktor. Sein betont zurückhaltendes Design und seine englische Attitüde haben den edlen Charme des Briten auch in die Zeit der Elektrofahrzeuge gerettet.

Fazit und Kosten

Damals wie heute gilt: Einen Range Rover sollte man sich leisten können. Zwar liegen die Einstandspreise der mitunter noch ohne Katalysatortechnik ausgerüsteten Versionen derzeit auf Kleinwagenniveau, ein billiges Vergnügen war und ist der englische Lord deshalb jedoch noch lange nicht. Sowohl im Verbrauch, der sich selten unter 15 Litern bewegt, als auch in den Teilepreisen spielt der Range Rover in der automobilen Oberklasse. Kommen dann kostenintensive Instandsetzungsmaßnahmen dazu, wird das vermeintliche Schnäppchen schnell zum finanziellen Desaster. Die Empfehlung gilt daher späteren bereits mit Katalysator ausgerüsteten Modellen, die besonders in der Vouge Version eine gute Wertanlage bilden. Die Laufleistung spielt dabei eine untergeordnete Rolle, vielmehr ist auf eine vollständige Wartungshistorie und einen möglichst wenig verschlissenen Gesamtzustand zu achten. Kenner suchen ihren Range Rover daher oftmals in der Schweiz, wo auch ältere Fahrzeuge, meist ohne Rücksicht auf die Kosten, in einem guten Zustand gehalten werden. Ganz so, wie es dem Gentleman unter den Geländewagen gebührt.

Karosserie:
Aluminiumaufbau mit drei oder fünf Türen; zwei verschiedene Radstände: 2,74 und 2,54 Meter

Motor:
V8-Benziner mit Hubräumen von 3,5 Liter bis zu 4,2 Liter; Leistung von 132 bis 202 PS

Sechszylinder-Dieselmotor mit 2,4 Liter Hubraum und 112 PS ab 1986 lieferbar

Kraftübertragung:
Permanenter Allradantrieb, anfangs nur mit 5-Gang-Schaltgetriebe lieferbar, ab 1982 Einführung eines Automatikgetriebes; Luftfederung ab 1992

Preis:
Je nach Modellversion und Pflegezustand stark variierend, Reparaturkostenrücklage 4.500 Euro

Fotogalerie

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