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Magazin

Ferrari 412

Mit Ecken und Kanten

Text: Mathias Paulokat
Fotos: Jan Baedeker

Tempi Passati! Die Zeiten, in denen der großzügige Ferrari 412 GT 2+2 Sitzer zum beinahe beschämenden Schnäppchenpreis beim Gebrauchtwagenhändler erhältlich war, sind vorbei. Gute Exemplare des Gleiters mit bulligem Colombo V12-Motor haben ihren Preis. Eleganten Charme. Und Klasse. Und genau diese Kombination der Tugenden macht den unaufgeregten Ferrari nun begehrt und zum jungen Automobilklassiker für anspruchsvolle kosmopolitische Gentlemen Driver. Classic Driver stellt den eleganten italienischen Feingeist vor: Pininfarina, gefalzt und gebügelt.

Einverstanden! Die bloße Betrachtung dem Preise nach bleibt eine relative Angelegenheit. Denn wenn man bedenkt, dass Ferrari 400 und 412 zu ihren Neuwagenzeiten bis zu 200.000 Mark gekostet haben, dann sind 35.000 bis 50.000 Euro verträgliche Summen. Soviel nämlich sind heute für gute und eingefahrene Exemplare des eigenwilligen italienischen Gleiters mit Ecken und Kanten, großzügigem Interieur und V12-Motor unter der Fronthaube zu veranschlagen. Doch zunächst zur Evolution des Modells: wie ist der Ferrari 412 einzuordnen, wie ist er entstanden? Und warum trägt er diesen für Ferrari doch eher untypischen Look?

Die Genese geht zurück auf die legendären Ferrari 365er Modelle, die in zahlreichen Spielarten ab Mitte der 1960er Jahre eine großzügigere Form der Fortbewegung mit dem Cavallino Rampante kultivierten. 1972 präsentierte Ferrari dann das Gran-Turismo Coupé 365 GT4 2+2. Es zeigte praktisch die Pininfarina Linienführung, die bis 1989 Bestand haben sollte. Vor allen Dingen der deutlich größere Radstand positionierte das Fahrzeug bei einer bislang weniger fokussierten Klientel. Nämlich die der anspruchsvollen Geschäftskunden. „Ferrari fahren, ohne dass es jeder merkt!“ lautete die Devise. Das Auto sollte nicht primär Spaß- und Sportmobil, sondern zuvorderst eine ernste Alternative in der hochmotorisierten Business Class bieten. Und allen Skeptikern zum trotz ging das Konzept auf. Aus dem 365 GT 2+2 entstand der Ferrari 400 – ab dem Jahr 1979 dann 400i bezeichnet – und ab 1985 das Modell 412, welches wir hier auch als Fotofahrzeug zeigen.

Mit Rasse und Klasse

Mit 17 Jahren Produktionsdauer zählt die Baureihe damit nicht nur zu einer beachtlichen Konstante im teils sehr schnellebigen Ferrari-Fahrzeugprogramm, sondern auch zu einer der am längsten produzierten Fahrzeuge der industriellen Serienfertigung überhaupt. Das Phänomen der grauen Eminenz aus Maranello läßt sich eigentlich nur so erklären, dass Ferrari parallel zum 400 und 412 noch aufregendere Sportwagen produzierte, welche die limousinengroßen GTs immer wieder in den Schatten stellten. Damit jedoch gar kein Mißverständnisse aufkommen: Die 400er und 412er Ferrari waren nie günstig. Der Eindruck, wonach das reduzierte und unaufgeregte Blechkleid etwa auf eine Sparvariante hindeuten könne, täuscht vollauf. Im Gegenteil: Ferrari 400 und 412 spielten in der höchsten Preisliga.

Die technische Basis des Ferrari 400 GT, der im Oktober 1976 auf dem Pariser Salon Premiere feierte, sattelte auf der des Ferrari 365 GT4 2+2 auf. Nur hatte der 400 einen größeren Motor mit 4,8 Liter Hub. Optisch trennte ihn auch nur wenig von seinem Vorgänger. Statt drei Rückleuchten je Seite erhielt er nun zwei Einheiten. Den Bug zierte fortan eine kleine Spoilerlippe. Und die mit jeweils fünf Radbolzen befestigten Räder ersetzten die martialischen Zentralverschlüsse des Vorgängers. Bemerkenswert ist allerdings auch, dass der Ferrari 400 als Fahrzeug mit Automatikgetriebe erhältlich war – der erste Serien-Ferrari dieser Art. Gleichzeitig war es der letzte V12-Ferrari mit Vergaser-Beatmung. Denn im Herbst 1979 wandelte sich der 400 GT in den 400i. Jetzt kam die übliche Bosch-K-Jetronic zum Einsatz.

1985 und damit über zwölf Jahre nach der Premiere des 365 GT4 2+2 präsentierte Ferrari die vierte Generation der Modellreihe, eben den Ferrari 412. Optisch änderte sich kaum etwas. Es blieb beim Pininfarina Anzug mit dem klaren Dachkonzept, kantig gezeichnetem Heck und den beiden stark konturierten Sicken, die sich bei guten Exemplaren bis heute links und rechts sauber und scharf gebügelt über die Flanken strecken. Damit wirkt das Fahrzeug auffallend zeitlos, sachlich und deutlich weniger emotional als beispielsweise die Ferrari 308 Sportwagemodelle. Genau das war beabsichtigt und hatte sich mittlerweile auch bewährt. Warum also etwas ändern?

Finden, prüfen, kaufen, fahren!

Die äußeren Änderungen beschränkten sich somit auf Retuschen: Blinkergläser in Weiß, lackierte Stoßfänger, dezentere Nebelscheinwerfer – all das ließ den 412 noch unauffälliger erscheinen. Das Interieur wurde leicht verfeinert; es blieb allerdings beim Raumkonzept mit edlem Gestühl aus Connolly-Leder und der mächtigen Mittelkonsole. Technisch machte der Fortschritt nicht halt. Der V12-Motor erhielt nun einen Hubraum von 4,9 Liter, die Jetronic wurde aktualisiert und eine elektronische Zündung verbaut, was die Leistung auf 340 PS beförderte. Das Automatikgetriebe war nun der Standard – die Handschaltung Option. Auch ein ABS System war fortan serienmäßig an Bord. Der Typ 412 wurde von 1985 bis 1989 knapp 580 mal gefertigt.

Gepflegte Exemplare sind im heutigen Gebrauchtwagenmarkt keine Seltenheit. Denn das problematische Stadium der vermeintlich günstigsten Variante, einen echten Ferrari zu fahren, nährt sich beim 412 dem Ende. Dass es so lang andauerte, spricht durchaus für den 412. Denn die Technik präsentiert sich bei üblicher Wartung solide. Auch die Karosserie ist durchaus langlebig. Unsere Empfehlungen: Prüfen Sie das Blechkleid sorgsam. Insbesondere der Gitterrohrrahmen sollte stauchungsfrei sein. Rost sucht man zunächst im Schwellerbereich, danach entlang der Kotflügel und an den Säulenübergängen zum Dach. Bei der Technik ist vor allen Dingen eine penible Laufleistungskontrolle angesagt – gerne mit einem Fachmann, der sich mit den V12-Aggregaten auskennt. Der prüft dann gleich Steuerketten, die Vakuumpumpe für die Bremsservoanlage und die Qualität der Einscheiben-Kupplung. Es gilt: Jede erledigte oder vermeidbare Reparatur spart schnell einige Tausend Euro. Somit greift beim Ferrari 412 die alte Klassikerregel: Das teuere Auto ist meist der bessere Kauf.

Auch eine gerade erfolgte große Inspektion durch einen Fachbetrieb ist bares Geld wert. Genau genommen zwischen 4.000 und 5.000 Euro. Damit relativieren sich die ersten Preistaxen relativ schnell. Stimmt die Statik, kommt die dynamische Prüfung. Und so soll er sich fahren: entspannt, souverän, erhaben. Ohne Knacken und Klappern, keine Störgeräusche bitte. Ein Gleiter über den Dingen. Der 412: Seine zweite Zeit ist gekommen.

Der von uns getestete, ausgesprochen gut gepflegte Ferrari 412 mit nur 35.000 gelaufenen Kilometern steht momentan bei der Garage Foitek AG in Zürich zum Verkauf. Weitere Informationen sowie die Kontaktdaten zum Vereinbaren einer Probefahrt erhalten Sie im Classic Driver Automarkt.

Die Fakten

Fahrzeugkonzept: Viersitziger GT

Chassis: Gitterrohrrahmen

Karosserie: Stahlblechkarosserie

Motor: wassergekühlter V12 aus Leichtmetall

Hubraum: 4,9 Liter

Leistung: 340 PS bei 6.500 Touren

Drehmoment: 451 Newtonmeter

Bremsen: vier innenbelüftete Scheibenbremsen

Kraftübertragung: Fünfgang-Schaltgetriebe oder Dreigangautomatik, Hinterradantrieb

Abmessungen: Länge: 4.810 mm, Breite 1.800 mm, Höhe: 1.314 mm

Radstand: 2.700 mm

Gewicht: ca. 1.900 kg

Beschleunigung: in unter sieben Sekunden von 0 auf 100 km/h

V-Max: ca. 250 km/h

Produktionszeitraum: von 1985 bis 1989

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